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Ein Lächeln für Neukölln

Neukölln Vor einem Jahr hat Franziska Giffey den landesweit bekannten Heinz Buschkowsky als Bezirksbürgermeisterin abgelöst. Was hat sich seither geändert?

von Stefan Weger

14 Jahre lang war Heinz Buschkowsky (SPD) Bürgermeister von Neukölln. Er genoss bundesweite Aufmerksamkeit, aber hinterließ auch tiefe Gräben in der Bezirkspolitik. Der Wandel besonders im Norden Neuköllns machte einen neuen Politikstil notwendig. Buschkowsky wirkte hier wie aus der Zeit gefallen.

Nun hört man ihn schon über ein Jahr nicht mehr in den Hallen des Rathauses poltern. Nach seinem überraschenden Rücktritt trat Mitte April 2015 die 30 Jahre jüngere Franziska Giffey (SPD) ihr Amt an. Neuköllner Urgestein mit Sinn fürs Grobe wird beerbt durch Akademikerin aus Frankfurt (Oder). Vielen gilt sie, seit 2003 für den Bezirk tätig, als Ziehkind Buschkowskys. Doch was hat sich verändert?

Dass mit Buschkowskys Abtritt auch sein markanter Ton die Bühne verlässt, war vorhersehbar. Doch mit ihm verschwand auch eine unverwechselbare Gangart in der Bezirksverwaltung. Plötzlich sprach man wieder miteinander. Bezirksverordnete konnten sich vernünftig auf ihre Sitzungen vorbereiten, weil die Unterlagen nicht erst vor Ort nachgereicht wurden, und auf Anfragen beim Bürgermeisterbüro gab es plötzlich auch umfangreiche Antworten.

Mehrere Bezirksverordnete berichten, das einzige Thema bei dem Giffey hart durchgreife, sei die Bildungspolitik. Bis zu ihrer Wahl als Bürgermeisterin war sie fast fünf Jahre lang Bildungsstadträtin. Ihre Expertise setzt sie machtvoll ein. Durch Bildung möchte sie Probleme verhindern, bevor sie aufkommen. Bei anderen Themen herrscht eher Pragmatismus. Sogar Anträge der Opposition gehen regelmäßig durch. Ein Novum im Vergleich zu Buschkowsky, der die Welt in Freund und Feind unterteilte.

Während ihr Vorgänger sich für Sicherheit auf den Straßen stark machte, kümmert sich Giffey auch um die Sauberkeit im Kiez. Eine ihrer ersten Amtshandlungen war, die Aktion „Schön wie wir“ ins Leben zu rufen. Bei der letzten Bezirksparlamentssitzung verkündete sie stolz die Erfassung von 15 Müll-Hot-Spots, an denen jetzt alle zwei Tage das Ordnungsamt patrouillieren soll. Die Sauberkeit der Straßen sei für sie so wichtig wie der Kampf gegen mafiöse Strukturen und kriminelle arabische Clans, so Giffey.

Beim Thema Unterkünfte für Geflüchtete versucht sie den Spagat. Als in Nord-Neukölln die Turnhalle am Columbiadamm kurzfristig zur Notunterkunft wird, bekundet sie Sorge um die Geflüchteten und Mitleid mit den Anwohnern, welche die Halle nicht mehr nutzen können. So spricht sie auch den Buschkowsky-Wähler an, dem der Kiez schon bunt genug ist – vielleicht gar zu bunt. Dieses Vorgehen dürfte ein Grund dafür sein, weshalb Neukölln aktuell mit am wenigsten Geflüchtete aufgenommen hat.

Eine Blaupause für ihren neuen Politikstil ist der aktuelle Konflikt um die queere Wagensiedlung Schwarzer Kanal. Gut 20 Personen belegen 8.000 Quadratmeter Fläche, auf der der Senat lieber 500 Geflüchtete unterbringen würde. Die Aktiven des Wagenplatzes demonstrierten vor dem Rathaus und im Bezirksparlament. Für die CDU-Fraktion war klar: Das Projekt hat keinen existenten Pachtvertrag, die Fläche wird dringend benötigt, also wird geräumt. Dieser Einschätzung wäre wahrscheinlich auch ein Buschkowsky gefolgt.

Nicht aber Franziska Giffey. Sie verschiebt die Debatte in den Ausschuss, wo auch die Betroffenen zu Wort kommen können. Auch wenn sie sich, wie sie selbst sagt, vorher noch nie mit dem Projekt befasst hat, ist sie jetzt eine heiße Verfechterin des Erhalts. Zusammen mit dem Berliner Immobilienmanagement, dem Lageso und dem Senat erarbeitet sie einen Kompromissvorschlag, dem jetzt nur noch der Schwarze Kanal beipflichten muss. Dass der Kompromiss aufgrund möglicherweise verseuchter Böden kippen könnte, ist eine andere Geschichte. Der Punkt ist: Sie ist offen für Menschen, denen sie inhaltlich alles andere als nahesteht, und kämpft für deren Interessen. Das ist neu.

Missgünstig könnte man sagen, sie richte sich nur nach den Mehrheiten. Doch das wäre zu kurz gegriffen. Für Giffey ist Verhandeln politisches Programm. Und genau das ist es, was das sich wandelnde Neukölln dringend braucht.

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