Danke, Chef

€€€ Trotz Abgasskandal wollen die VW-Manager nicht auf ihre Boni verzichten. Wozu auch? Der Gesetzgeber packt sie fürsorglich in Watte. Die Krise baden andere aus

Mit Moral braucht man dem Spitzenpersonal gar nicht erst zu kommen. Siehe: Abgasskandal Foto: F.: Pfaffenbach/reuters

von Anja Krüger

Die Herren in der Führungsetage der VW-Zentrale in Wolfsburg kriegen den Hals nicht voll: Die Einkommensmillionäre sind dafür verantwortlich, dass der einstige deutsche Vorzeigekonzern in einer existenziellen Krise ist. Aber auf millionenschwere Sonderzahlungen wollen sie partout nicht verzichten. Zur Erinnerung: Im September vergangenen Jahres kam heraus, dass VW systematisch Software in Diesel-Fahrzeuge eingebaut hat, die bei Abgastests gute Werte simulierten. Von elf Millionen betroffenen Fahrzeugen weiß die Welt bislang. Dem Konzern drohen Strafen in Milliardenhöhe und Klagen von Aktionären. Der Absatz von VW-Fahrzeugen ist in vielen Ländern eingebrochen.

Die Krise werden Leute ausbaden müssen, die sie nicht verursacht haben. Das Land Niedersachsen gehört zu den größten Aktionären. In die Landeskasse wird weniger Geld fließen, wenn – wie erwartet – die Dividende in diesem Jahr geringer ausfällt. Die Kommunen Niedersachsens stehen vor drastischen Kürzungen, weil die Gewerbesteuer der Wolfsburger sinkt. Das trifft wegen des kommunalen Finanzausgleichs alle Städte und Gemeinden.

Den Beschäftigten von VW drohen wegen der Affäre ebenfalls Kürzungen, manchen der Jobverlust. Das Land Niedersachsen, der VW-Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall fordern deshalb eine „deutliche Reduzierung“ der millionenhohen Sonderzahlungen fürs Management – als „politisches Zeichen“. Angemessen wäre die komplette Streichung der Boni – aber die ist juristisch ohne Zustimmung der Manager nicht durchsetzbar. Der neue VW-Chef Matthias Müller will die Sonderzahlungen immerhin um ein Drittel kürzen. Manche Vorstandsmitglieder sollen damit einverstanden sein. Andere sollen auf ihre Prämie bestehen.

Das gilt auch für Martin Winterkorn, der schon im September vom Hof gejagte Ex-VW-Chef: Er bezieht noch immer sein Gehalt in Millionenhöhe. Möglicherweise noch bis Ende 2016, denn so lange geht sein Vertrag. Im Jahr 2014 war er mit fast 16 Millionen Euro Jahresgehalt der Spitzenverdiener unter den Chefs der DAX-Konzerne. Bei Top-Verdienern gibt es zwei Gehaltskomponenten, einen festen und einen – erfolgsabhängigen – variablen. Auch für 2016 darf Winterkorn einen fetten Bonus erwarten. Denn der hängt von den vier vorangehenden Jahren ab, und die liefen prima.

Wie soll jemand, der sich gerade erst die Taschen gefüllt hat, andere zum Verzicht bewegen?

Er profitiert also von den Gewinnen, die VW unter seiner Führung mit betrügerischen Methoden erwirtschaftet hat. Das gilt auch für die übrigen Vorstände. Sie verdienten 2014 zwischen 4,3 Millionen und 7,7 Millionen Euro. An Anstand und Moral zu appellieren, um das Spitzenpersonal zum Verzicht zu bewegen, dürfte wenig Sinn haben. Mit so was haben diese Leute nicht viel im Sinn, was nicht nur der Software-Skandal zeigt: Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch bekommt eine Prämie von 10 Millionen Euro, weil er den VW-Vorstand verlassen hat, wo er mehr verdiente als jetzt. „Das Management muss jetzt mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass es sich an den Kosten der Krise beteiligt“, sagt ein Aufsichtsratsmitglied. Aber wie soll ausgerechnet ein Aufsichtsratschef, der sich gerade erst die Taschen gefüllt hat, andere zum Verzicht bewegen?

Bei einer Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums am Montag gab es denn auch noch keine Lösung. Bis zur Vorstellung der Jahresbilanz für 2015 Ende April haben die VW-Gremien Zeit, eine Lösung zu finden. Die Vorstände sind in einer starken Position. „Vertrag ist Vertrag“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lapidar. Und genau an diesem Punkt ist die Affäre mehr als eine Geschichte gieriger Männer in Nadelstreifen. Dahinter steckt ein falsches System. Denn jemand muss die Verträge schreiben, jemand muss sie absegnen, jemand muss die gesetzlichen Grundlagen schaffen.

Die Ironie: dass die Boni-Berechnung für mehrere Jahre erfolgt, ist gesetzlich vorgeschrieben, damit Führungskräfte langfristig denken. Dazu sind sie ohne finanzielle Anreize nach Auffassung des Gesetzgebers nicht in der Lage. Trotzdem werden Manager vom Gesetzgeber in Watte gepackt, sie haben selten etwas zu fürchten. VW, Deutsche Bank, Siemens: kein Wunder, dass krumme Geschäfte mittlerweile zur deutschen Firmenleitkultur gehören.