Island und die Panama Papers: Erstes hochnotpeinliches Opfer

Ministerpräsident Gunnlaugsson muss den Hut nehmen. Jetzt könnte die Piratenpartei den nächsten Regierungschef stellen.

Ein Mann, Davíð Gunnlaugsson

Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson wurde zum Rücktritt gezwungen, nicht zuletzt von seinen eigenen Parteifreunden Foto: reuters

STOCKHOLM taz | Die Panama Papers haben ihr erstes Opfer auf Regierungsebene gefordert. Am Dienstagabend erkannte Islands Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson das Aussichtslose seiner Versuche, sich im Amt festzukrallen. Er kündigte seinen Rücktritt, offiziell ein „Time-out“, an.Die Koalition seiner rechtsliberalen „Fortschritts-“ mit der konservativen „Unabhängigkeitspartei“ soll fortgeführt werden. Mit dem bisherigen Fischereiminister Sigurður Ingi Jóhannsson als Ministerpräsident.

Gunnlaugsson schaffte es, dem Wort von der „Bananenrepublik Island“, das sich in den letzten Tagen vor allem in sozialen Medien verbreitet hatte, bis zuletzt alle Ehre zu machen. Noch am Dienstag hatte er verkündet, er habe sich für absolut nichts zu entschuldigen und denke deshalb nicht an Rücktritt.

Nicht einmal öffentlicher Aufruhr in mehreren Lokalorganisationen seiner Partei und eine Umfrage, wonach nur noch 3 Prozent der IsländerInnen Vertrauen zu ihm hatten, vermochten ihn zu beeindrucken.

Nachdem auch der Koalitionspartner seinen Rücktritt forderte, versuchte er diesen mit der Alternative zu erpressen, entweder gehe alles weiter wie bisher, oder er werde das Parlament auflösen. Als die „Unabhängigkeitspartei“ stur blieb, suchte Gunnlaugsson mit einem vorformulierten Beschluss zur Parlamentsauflösung Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson auf. Doch der weigerte sich zu unterschreiben. Das Instrument der Parlamentsauflösung sei nicht dafür da, um Koalitionspartner zu erpressen.

Piratenpartei aktuell bei 43 Prozent

Mit Gunnlaugssons Abtritt ist das größte Politchaos seit dem Finanzcrash im Jahre 2008 aber vermutlich nicht zu Ende. Die Opposition im Parlament denkt nicht daran, den jetzigen Schachzug zu akzeptieren, mit dem die Regierungsparteien sich bis zum Wahltermin im April 2017 im Amt halten wollen. Sie hält an einem Misstrauensvotum fest, dürfte damit allerdings angesichts von 25 der 63 Althing-Mandate keine Chance haben.

Doch deutlich mehr öffentlicher Druck ist zu erwarten. Wie schon zu Zeiten des Finanzcrashs, als eine ebenfalls unwillige Regierung mit Dauerprotesten dazu gezwungen wurde, auf den Volkswillen zu hören, soll es jetzt tägliche Demonstrationen vor dem Parlament geben. Zumal Gunnlaugsson keineswegs allein in Steueroasen unterwegs war.

Das halbe Kabinett beschäftigte sich seit Jahren mit solchen Aktivitäten. Selbst der Schatzmeister der oppositionellen Sozialdemokraten musste deshalb bereits seinen Hut nehmen. Öffentlich vom großen Vertrauen in Islands Wirtschaft zu schwärmen und heimlich sein Geld in Steueroasen zu verschieben, gehe nicht zusammen, meint der Philosophieprofessor Guðni Th. Jóhannesson.

Schon vor Panama war das Vertrauen der IsländerInnen in ihre etablierten Parteien auf ein Rekordtief gefallen. Die Piratenpartei, derzeit mit 3 Abgeordneten im Parlament vertreten, gilt vielen als einzige Alternative und ist seit mehr als einem Jahr mit Werten zwischen 36 und – aktuell – 43 Prozent bei Umfragen mit Abstand stärkste Partei. Damit könnte sie mit den Links-Grünen eine Regierung bilden.

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