Plutonia Plarre freut sich über die Rettung des Rheingauer Weinbrunnens: Ein guter Tag für Hedonisten
Im Unterschied zum Kreuzberger Myfest ist eine andere Veranstaltung mit Kultstatus bereits gerettet: das Wilmersdorfer Weinfest „Rheingauer Weinbrunnen“. Die Sause kann wie gewohnt weitergehen – das entschied die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts am Mittwoch. Auch in diesem Fall hatte ein Anwohner geklagt, der sich durch das Treiben vor seiner Haustür gestört fühlte.
Das ist aber die einzige Parallele. Denn anders als das Myfest ist das Weinfest am Rüdesheimer Platz keine Eintagsfliege. Zwischen Mai und September schenken Winzer aus dem Rheingau dort täglich Wein aus. Bei schönem Wetter lassen sich mittlerweile Hunderte von Leuten an der Brunnenanlage mit dem Siegfriedsdenkmal gekühlten Weißwein munden.
Auf den ersten Blick wirkt die Schenke mit ihren Tischen und Stühlen wie eine ganz normale Gaststätte. Aber das Bild trügt: Alles bis auf den Wein und die Gläser haben die Gäste selbst mitgebracht: Oliven, gewürfelten Käse, Weintrauben und Salate. Nicht selten sehen die Speisen aus, als sei bei ihrer Zubereitung viel Mühe verwendet worden. Vergleichbares gibt es nirgendwo sonst in Berlin. Die Mischung aus Biergarten und Picknick macht den Reiz aus.
Seit 1967 schon gibt es den „Rheingauer Weinbrunnen“. Anfänglich handelte es sich nur um eine zweiwöchige Veranstaltung. Obwohl die Zeiten immer länger wurden, behielt das Fest den Status eines Geheimtipps. Aber damit ist es vorbei, seit alle Medien über die Klage des Anwohners wegen unzumutbarer Lärmbelästigung berichtet haben. Bislang bestand das Stammpublikum aus der Anwohnerschaft, man könnte auch sagen: aus dem situierten Mittelstand. Wenn es in diesem Sommer noch voller als in den Vorjahren wird, hat sich der Kläger das ein Stück weit selbst zuzuschreiben.
Den Verwaltungsrichtern nun zu unterstellen, sie hätten sich auf die Seite der Hedonisten geschlagen, wäre indes zu einfach. Bei dem Prozess am Mittwoch wurden die Lärmschutzmessungen akribisch geprüft. Es zeigte sich, dass die Geräuschkulisse der Schänke im Normalfall nicht die in Wohngebieten zulässigen 55 Dezibel übersteigt. Allenfalls wenn ein Betrunkener laut johlt, schlägt das Pegel höher aus. Da die Schänke um 22 Uhr ohnehin zumacht, könne nicht von einer unzumutbaren Lärmbelästigung gesprochen werden, urteilten die Richter. Ab dem 20. Mai, wenn das diesjährige Fest eröffnet wird, dürfte die Entscheidung mit einem Extragläschen Riesling gefeiert werden. Foto: dpa
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