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Der häufigst genannte Name

Ausstellung Die Besucher der ersten Kunstausstellung, die in Windhoek über den deutschen Kolonialismus in Namibia stattfindet, können Vorschläge für die Umbenennung der Lüderitzstraße in Berlin-Wedding machen

Wer Humboldtforum sagt, muss sich auch der Frage nach der Lüderitzstraße stellen: Installationsansicht in der Ausstellung Foto: Spunk Seibel

VON Frances Burger

Samuel Maharero. Das ist der häufigst genannte Namen, den sich derzeit Besucher der National Gallery in Windhoek für die Umbenennung der Weddinger Lüderitzstraße wünschen. Die Besucher der ersten Kunstausstellung über den deutschen Kolonialismus in Namibia können Vorschläge für die Umbenennung der Straße machen, wie es zum Beispiel die an der Ausstellung beteiligte Gruppe „Berlin Postkolonial“ seit Langem fordert.

Maharero von den ­Ovaherero führte 1904 sein Volk in den Widerstand gegen die Kolonialisten. Die Deutschen reagierten mit militärischer Härte und verübten an den Herero und Nama den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Zigtausende Menschen wurden in die Wüste getrieben und verdursteten dort. Die Übriggebliebenen wurden in Konzentrationslager gesperrt und durch Zwangsarbeit zugrunde gerichtet. Von den Hereros überlebten nur 15 Prozent.

Deutschland tut sich bis heute mit dieser Vergangenheit schwer. Das Verbrechen ist kein Teil des allgemeinen Geschichtsbewusstseins und erst seit Sommer 2015 erkennt die Bundesregierung die Ereignisse als Völkermord an. Folgen, zum Beispiel eine Entschädigung, hat dies bisher nicht.

In Namibia hingegen lebt das Bewusstsein über diese Verbrechen fort. Mit Unverständnis reagieren die meisten Namibier, wenn sie die deutsche Politik in diesem Punkt bewerten sollen. Aber auch der Umgang von deutschen Kulturinstitutionen mit dem kulturellen Erbe der Nama und der Herero wird sehr kritisch gesehen.

Umso mehr freuen sich die zahlreichen Besucher der ­National Gallery of Namibia über die aktuelle Ausstellung „1884–1915: An Artistic Position“. In ihr zeigen zum ersten Mal deutsche und namibische Künstler gemeinsam Arbeiten über die Zeit des deutschen Kolonialismus. Allerdings ist es ein kleiner Skandal und typisch für das deutsch-namibische Verhältnis, dass diese Ausstellung auf Privatinitiative des Berliner Kurators Spunk Seipel entstanden ist und ohne institutionelle Förderung realisiert wurde. Ihm und der namibischen Kuratorin Helen Harris wurde in der Vorbereitungsphase von mehreren deutschen Kultureinrichtungen sogar geraten, diese Ausstellung nicht zu zeigen. Es gibt viele Bedenken ob des heiklen Themas. Dabei ist den beiden Kuratoren eine wirklich bemerkenswerte Ausstellung gelungen, die möglichst viele Aspekte des deutschen Kolonialismus beleuchtet.

Ella Ziegler ergründet mit einer Installation aus historischen Waagen die Ursprünge der deutschen Landnahme. 1883 hatte der Großkaufmann Adolf Lüderitz dem Nama-Kapitän Josef Frederiks betrogen, als er diesen beim Kauf vom Land über die Maßeinheit im Unklaren ließ. So wurde den Einheimischen viel mehr Land abgenommen, als sie sich bezahlen ließen. Das war die Grundlage für die Gründung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika und den späteren Landraub vieler deutscher Siedler. Die Arbeit sorgt bei den Besuchern sowohl inhaltlich wie auch formal für Diskussionen.

So wie die 49 großformatig gepixelten Porträts der wichtigsten Männer des deutschen Kolonialismus von Thomas ­Eller. Er stellt einen Bezug zu den berühmten 49 Porträts von Gerhard Richter her, die die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert spiegeln sollen. Aber fehlen bei Richter nicht wichtige Personen? Spiegeln seine Porträts nicht das Verdrängen der Verbrechen des Kolonialismus?

Allerdings ist es typisch für das deutsch-namibische Verhältnis, dass diese Ausstellung auf Privatinitiative des Berliner Kurators Spunk Seipel entstand und ohne institutionelle ­Förderung realisiert wurde

Das Verdrängen thematisiert auch der Berliner Zeichner Matthias Beckmann, der auf der Suche nach namibischen Artefakten im ethnologischem Museum Dahlem war. Er stieß auf Desinteresse für die Kulturen des Landes, fragt aber auch, wie in Zukunft im Humboldtforum namibische Kulturen und ihre Geschichte gezeigt werden sollen. Viele Museumsbesucher in Windhoek fordern eine deutliche Präsenz ihrer Kultur und ihrer Geschichte in der Mitte Berlins.

Besonders in Hererofamilien ist das Thema des Genozids noch immer präsent. Tuaovisua Katuuo wuchs mit den Geschichten auf, die in ihrer Familie seit über hundert Jahren erzählt werden. Ihr feuerroter Wandteppich mit eingewebten kleinen Figuren, die die toten Vorfahren darstellen, zeigt den Schmerz und die Wut. Veico Ponofi und Nambahu Karina schufen ein traditionelles Herero­kleid, mit Aufdrucken von Widerstandskämpfern und Opfern des Genozids. Getragen in einer Performance, spiegelt es die Last der Vergangenheit der Frauen, die gerne von deutschen Touristen wegen ihrer pittoresken Tracht fotografiert werden.

Die namibische Künstlerin Nicola Brandt, die letztes Jahr ihr Video zusammen mit Arbeiten von Christoph Schlingensief auf der Biennale in Venedig zeigte, offenbart den schwierigen, teils rassistischen Umgang der Deutschnamibier mit Vergangenheit und Gegenwart, in der die Vorherrschaft der Weißen, zumindest formell, beseitigt wurde. Kann es eine Aussöhnung zwischen Deutschen und Herero geben?

Eine Frage, die diese Ausstellung aufwirft. Aber es werden auch Lösungen gezeigt. Vor allem kommen hier nicht nur Angehörige des „Tätervolks“ zu Wort, sondern auch die Nachfahren der Opfer. Wünschenswert wäre es daher, wenn diese Ausstellung auch in Deutschland gezeigt werden würde.

Bis 19. März, National Gallery of Namibia, Windhoek

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