Die Wahrheit: Subversive Kanalisationsdeckel

Kommunalpolitik ist auch in Nordirland ein nur schwer zu durchdringendes Geflecht von Eitelkeiten und Neurosen.

Wenndemnächst Menschen in Nordirland in der Erde verschwinden, sind die Unionisten schuld. In Ballymena, einer ihrer Hochburgen, wo der berüchtigte Pfaffe Ian Paisley jahrzehntelang herrschte, hat man vor Kurzem die Kanalisationsdeckel für vier Millionen Pfund ausgetauscht. Die neuen Deckel aus dickem Metall sollen haltbarer sein als die alten. Allerdings steht auf ihnen nicht nur „Water“, sondern auch das irische Äquivalent „Uisce“.

Timothy Gaston, der stellvertretende Bürgermeister der Region und Mitglied der unionistischen Splitterpartei Traditional Unionist Voice, sagte: „Ich hoffe, dass es nur ein Versehen ist, und ich empfehle dem Hersteller, die Deckel so schnell wie möglich zu entfernen.“ Seine Wähler hätten das gefordert. Gaston weiß vermutlich nicht, dass die Engländer, denen er sich verbunden fühlt, das wohlklingende „Uisce Beatha“, auf deutsch Lebenswasser, zu „Whiskey“ verballhornt haben.

Gaston kämpft an verschiedenen Fronten. Der aufgewühlte Bürgermeister beklagte, dass es pure Geldverschwendung sei, die wegen des Baus neuer Bürgersteige aufgewühlten Straßen mit künstlichen Blumen zu kaschieren. Stattdessen sollte man das Geld lieber für neue Kanalisationsdeckel verwenden.

Der Kampf des Bürgermeisters gegen alles Irische hat Familientradition. Gastons Vater Sam, der damals noch Paisleys Democratic Unionist Party angehörte, hat vor einigen Jahren McDonald‘sgezwungen, das Vorfahrt-achten-Schild an der Ausfahrt der Drive-in-Filiale in Ballymena auszutauschen. Auf dem Schild stand nämlich „Yield“, was zwar englisch ist, aber in der Republik Irland verwendet wird, während auf den Schildern in England „Give way“ steht, was dasselbe bedeutet.

Aber so einfach ist es nicht. Bis 1997 standen beide Begriffe auf den irischen Schildern, und viele davon sind heute noch in Gebrauch. Auch in Kanada und den USA, in Südafrika und Südkorea heißt es „Yield“. Aber die Sache ist noch komplizierter: In den irischsprachigen Gebieten der Republik Irland steht „Give way“ auf den Schildern, allerdings auf Irisch: „Géill Slí.“ Die Fleischbrötchenmonteure tauschten das inkriminierte Yield-Schild aber vorsichtshalber aus. Sie wollten wohl keinen neuen Rindfleischkrieg in Ballymena riskieren.

Der herrschte in den neunziger Jahren zum Höhepunkt des Rinderwahns. Damals entdeckten mein Freund Aribert und ich auf einer Weide bei Ballymena eine große Tafel mit einem Union Jack, darunter der Satz: „Ulster is British.“ Das war zwar geografisch falsch, denn die Provinz Ulster besteht aus neun Grafschaften, aber nur sechs davon bilden Nordirland, doch wir sahen darüber hinweg und fragten den Bauern, ob seine Kühe auch britisch seien. Das sei etwas völlg anderes, fluchte er. Schließlich lebten sie auf der irischen Insel, und deshalb könne das Exportverbot für britische Rinder nicht auf seine Tiere angewendet werden.

Ob es bei Familie Gaston damals schon das traditionelle britische Sonntagsessen Roast Beef aus lokaler Schlachtung gab?

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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