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Die Schlange der Verführung

Klangbild Klare Konturen, sinnliche Typografien, fokussierte Themen: Die Jazzplakate des Schweizer Grafikers Niklaus Troxler, die derzeit im Bröhan-Museum zu sehen sind, befreiten Musik und Musiker aus den Stereotypen der Wahrnehmung

Jazz ist der Elefant im Porzel­lanladen der Musik: ein lärmendes Ungetüm ohne jeden Sinn für erbaulichen Wohlklang und die geschulte Komposition erlesener Ingredienzen, ein polternder Angriff auf deliziöses ästhetisches Empfinden formvollendeter Gestaltung.

Seit Anbeginn seiner Entstehung war Jazz solchen Anwürfen in zyklischer Wiederkehr ausgesetzt, die letzten Fehden, gegen europäischen Free Jazz etwa, liegen erst wenige Jahrzehnte zurück. Im Bröhan-Museum hat dieser Elefant das Porzellan nun buchstäblich der Räume verwiesen. Wo vorher exquisite Sammlungsstücke der Königlichen Porzellan-Manufakturen Berlin in Vitrinen nobel, still und leise um Besucherhuldigungen buhlten, locken jetzt leuchtende Farben und verspieltes Understatement an den Wänden. Die Ausstellung „All that Jazz“ mit Plakaten des Schweizer Grafikdesigners Niklaus Troxler aus fünfzig Jahren Jazzgeschichte ist ein Musikvergnügen zum Nimmersattsehen.

Sie bildet den Auftakt der Blackbox-Ausstellungen, die künftig zeitgenössischem Design und Fotografie vorbehalten sind. Die dunkelanthrazit schimmernde Wandfarbe bringt die farbintensive Gestaltung von Troxlers Werken und seine sinnlichen Typografien sehr geschmackvoll zur Geltung, nur mit Magneten befestigt wirkt auch die Materialität der Plakate unmittelbar. Troxler spielt die große Geste, um die Aufmerksamkeit der Betrachtenden zu bekommen, mit Konturen, mit großflächigen oder schemenhaften Buchstaben, mit der Fokussierung auf ein Instrument, einen bestimmten Kontext, eine Musikerpersönlichkeit oder ein Hörerlebnis.

Eine Dauerliebe

Der 1947 geborene Grafiker begann neben seinem Beruf ab 1966 JazzmusikerInnen aus aller Welt zu Konzerten in seinen Heimatort Willisau im Kanton Luzern einzuladen. „Erst sollte es nur ein Konzert sein“, erzählt Troxler im Gespräch. „Dann war es eine Konzertreihe, daraus ist ein Festival und daraus sind viele Festivals entstanden. Ich habe nie langfristig geplant. Es war eine Dauerliebe, und ich habe mir immer frei gewillt gesagt, es macht Spaß, ich mache weiter.“

Unzählige Größen des Jazz und solche, die es noch wurden, spielten in Willisau, ab 1975 zum Beispiel der afroamerikanische Avantgardepianist Cecil Taylor oder der englische Bassist Dave Holland. Die Programmierung und die Gestaltung gingen stets glücklich Hand in Hand. Aus heutiger Sicht haben Troxlers Plakate entscheidend dazu beigetragen, die ­Darstellungen von JazzmusikerInnen von Stereotypen wie schwarz, rauchend, spielwütig, aufrührerisch, kauzig zu befreien. Die Ikonografien mit Insignien des Jazz funktionieren bei Troxler bestechend subtil.

Aus dem Saxofon von George Coleman wird der Telefonhörer am Ohr des Musikers, der Troxler oft anrief; aus dem Gitter der Fingerklappen windet sich eine züngelnde Giftschlange, bereit zum Biss. Schlange und Biss sind auf einem anderen Plakat zu Kabel und Stecker geworden, die zwei Finger nahe vor der Steckdose halten. „Ich kokettiere mit der Symbolik der Verführung und des Mystischen“, sagt Troxler über das Schlangenmotiv. „Die Schlange ist faszinierend und nicht wirklich fassbar, die Musik hat das auch. Etwas Surreales, Unbewusstes, auf manche Ideen komme ich eher durch so ein Gefühl.“

Troxler lehrte als Professor für Kommunikationsdesign 15 Jahre an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Dort ist Daniel Martin Feige, Autor des Buchs „Philosophie des Jazz“, seit 2015 Professor für Philosophie und Ästhetik in der Fachgruppe Design. Er kam zur Eröffnung der Ausstellung ins Bröhan-Museum. Über Troxlers Plakate sagt er: „Für mich transportieren sie grafisch ästhetische Aspekte der Spielweise von Jazz. Wie in der Improvisation etwas in einem bestimmten Moment passieren muss, geht es bei Troxler um offene Verfahren, um Energie, Verspieltheit und den wandelbaren Charakter des Jazz. Die Plakate zeigen eine Sensibilität für die Unterschiedlichkeit der Musiker und ihrer Stile.“

Unzählige Größen des Jazz und solche, die es noch wurden, spielten in Willisau

Seit 2005 haben Troxler und seine Frau in Berlin ihren Zweitwohnsitz. Er geht, ein neugierig gebliebener Hörer, auch hier gern auf Konzerte, vermisst aber einen Ort mit eigenständiger Programmierung: „Was fehlt, ist ein Lokal mit durchgängig hohem Niveau. Ich meine eigenständige gute Musik – nicht von Anfängern und kein Abklatsch von Vorbildern, sondern die Talente, die eigene gute Musik machen. Dann kommt das Publikum, und der Laden ist voll.“ Mit dieser Einschätzung hat er vollkommen recht.

Franziska Buhre

All That Jazz, Plakatkunst von Niklaus Troxler, Di.–So. 10–18 Uhr, bis 17. Juli 2016.

Konzert am 3. März, 14.00 Uhr mit den jungen Talenten des Far East Trio

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