piwik no script img

Rechte D-Promis gegen Merkel

Antifaschismus In der für Samstag geplanten rechten „Großdemo“ sehen Aktive „das Pogrom marschieren“ – sie wollen den rassistischen Aufzug blockieren

von Theo Schneider

Ginge es nach dem Willen des Pro-Deutschland Funktionärs Enrico Stubbe, würden sich am kommenden Samstag Tausende Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet am Berliner Hauptbahnhof treffen, um gegen Angela Merkel und Geflüchtete auf die Straße gehen. In Werbevideos bemüht er Analogien zu den Protesten von 1989, als würde am Wochenende eine Revolution ausbrechen und die Regierung gestürzt. Vermutlich werden es aber nur – wenn überhaupt – einige hundert rechte Hooligans, Neonazis und Verschwörungstheoretiker, die dem Ruf Stubbes zur „Großdemo“ unter dem Motto „Merkel muss weg“ folgen werden. Denn selbst in den eigenen Reihen genießt der Anmelder der rechten Versammlungen einen zweifelhaften Ruf.

Seit dem vergangenen Jahr trat Stubbe überwiegend beim Berliner Pegida-Ableger Bärgida in Erscheinung, bis es zu einem Zerwürfnis kam und er mit seiner HoGeSa-nahen Splittergruppe „Wir für Deutschland“eigene Wege ging – und vor allem durch geringe Teilnehmerzahlen auffiel. Als eine „zum Himmel stinkende“, „ganz komische“ und „dubiose“ Veranstaltung warnte Pegida-Chef Lutz Bachmann vor zwei Wochen seine Gefolgschaft in Dresden vor der selbsternannten „Großdemo“ und distanzierte sich mehrfach bei Facebook (sogar unter dem Hashtag „#VerfassungsschutzLäuftInBerlin“) von ihr. Eine Gegenkampagne unter dem Motto „Am 12.03.2016 bleibe ich zuhause“ soll Pegida-Sympathisanten von der Versammlung fernhalten. Die Sorge sei, dass die Trittbrettfahrer Krawalle anzetteln und die Wahlerfolge der AfD bei den Landtagswahlen am Tag darauf gefährden würden. Auch die Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, befürchtet genau das und äußerte sich vor einigen Wochen ablehnend: „Wir können leider nicht ausschließen, dass man mit dieser Veranstaltung versucht, der ‚AfD‘ Schaden zuzufügen“, so Petry in einem Statement. „Wir sind weder Organisator, Kooperationspartner noch sonst in irgendeiner Weise involviert.“

Warum sich AfD und Bachmann zu Stellungnahmen genötigt sehen? Die Veranstaltung wies eine enorme Reichweite in den sozialen Netzwerken auf. Rund 10.000 Zusagen und fast 20.000 weitere, „Interessierte“ meldeten sich bei Facebook zur Veranstaltung an. Zudem wird sie von rechten D-Promis als Redner_innen unterstützt, die durch Pegida und seinen Ablegern mit ihren kruden Thesen überhaupt erst eine Zuhörerschaft gefunden haben. Dubiose Gestalten, die eine rechte Friedensbewegung auf Grundlage antisemitischer Verschwörungstheorien aufbauen wollten oder „gegen die Amerikanisierung Europas“ demonstrieren sind darunter, aber auch ein Hamburger AfD-Funktionär.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin (MBR) beobachtet zwar „eine hohe Verbreitung der Veranstaltung“ auf Facebook, rechnet aber mit Teilnehmern „im mittleren dreistelligen Bereich“. Zwar seien „vereinzelt Ankündigungen zu geplanten Busanreisen aus anderen Städten bekannt“, mehr als tausend Rechte dürften aber nicht zu erwarten sein. „Die Distanzierungen von AfD und Pegida dürften der Mobilisierung erheblich schaden“, so die Rechtsextremismusexperten in ihrer Einschätzung.

Ob hunderte oder sogar tausend Flüchtlingsfeinde, das spielt für das Bündnis „Berlin.Nazifrei“, einem Zusammenschluss aus Antifa-Initiativen und antirassistischen Gruppen, nur eine untergeordnete Rolle. „Angesichts der Gefährlichkeit der rechten Szene und der hohen Anzahl von Angriffen auf Unterkünfte von Geflüchteten“ sei es wichtig, Neonazis und Rassisten „konsequent entgegenzutreten“, so ein Bündnissprecher. Es wird zu Blockaden des rechten Aufmarsches aufgerufen. „Hier will das Pogrom marschieren!“, sagt Markus Tervooren von der Berliner VVN-BdA angesichts der voraussichtlichen Zusammensetzung der Teilnehmerschaft. „Da gibt’s für alle Verteidiger_innen der Demokratie und einer solidarischen Gesellschaft nur eins – protestieren und blockieren!“

Auch ein weiteres Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und dem Türkischen Bund „fordert alle Berlinerinnen und Berliner auf, sich dem Aufmarsch konsequent entgegenzustellen“. Mit einem Aufruf „Für ein weltoffenes und tolerantes Berlin“ mobilisiert es zu einer Kundgebung am Hauptbahnhof. Weitere Gegenkundgebungen sind im Umfeld der Aufmarschstrecke, die bis zum Brandenburg Tor führen soll, angemeldet. Die Mobilisierungsplattform „Berlin gegen Nazis“ informiert am Tag als „Spektren übergreifende Mobilisierungsplattform der Stadt“ über allen Gegenaktivitäten und Entwicklungen auf seiner Seite und über Twitter.

Gegenkundgebung: 14 Uhr, Rahel-Hirsch-Straße Ecke Ella-Trebe-Straße (Washingtonplatz)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen