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Das DetailDas Märchen vom Einzelfall

Demonstrantin vor dem FBI-Hauptquartier Foto: Michael Reynolds/dpa

JUSTIZAuf ein einziges iPhone wollte sich das FBI einhacken. Apple stellt sich quer – aus gutem Grund, wie sich nun zeigt

Es war einmal ein iPhone 5c. Nur sein Besitzer konnte darauf zugreifen, denn es war natürlich mit einer PIN geschützt. Sein Besitzer aber stand eines Tages auf und schoss 14 Menschen im kalifornischen San Bernadino tot und verletzte 22 weitere – in einer Attacke, die, so sagten die Behörden, vom „Islamischen Staat“ inspiriert war. Deswegen interessierten sich die US-Strafverfolgungsbehörden brennend dafür, welche Informationsschätze auf dem iPhone liegen mögen. Und verlangten, dass der Hersteller, Apple, es knacken möge.

Apple aber weigerte sich. Das Ganze kam vor Gericht. Dort entschied man: Apple muss abschalten, und alle Daten müssen vom iPhone gelöscht werden, wenn zu häufig die falsche PIN eingeben wird. Da wurde Apple zornig und sprach: Das ist doch eine Frechheit! Um das zu tun, müssten wir dem FBI extra eine Software zuschreiben! Ist die einmal in der Welt, könnte sie in die falschen Hände gelangen und jeder Hempel unsere gut geschützten Smartphones knacken. Plus: Das Gericht schaffe damit einen Präzedenzfall.

Quatsch, entgegnete das FBI, nein, gleich das Weiße Haus: Das Justizministerium fordere von Apple gar nicht, eine Hintertür zu bauen, um das iPhone 5c generell entschlüsseln zu können. Es ginge einfach nur um Hilfe in diesem einen einzigen Fall.

Weiter sprach Apple: „Wir fechten den Beschluss mit dem größten Respekt gegenüber unserer Demokratie an.“ Und es mischten sich immer mehr Menschen ein in den Streit über das kleine iPhone 5c. Facebook-Chef Mark Zuckerberg ging ins Team Google. Bill Gates vom Apple-Rivalen Microsoft stellte sich auf die Seite der Regierung. Genauso wie laut mehreren Umfragen die Mehrheit der amerikanischen Öffentlichkeit.

Dann aber kam heraus: Es geht tatsächlich nicht um einen klitzekleinen Einzelfall. Medienberichten zufolge wollte das FBI Apple auffordern, ihnen auch Einblick in 12 weitere ­iPhones zu verschaffen, darunter auch eines der nigelnagelneuen Modelle, die besonders sorgfältig verschlüsselt sind.

Was einmal mehr den guten alten Mechanismus entlarven würde: einen emotionalen Präzedenzfall schaffen, um digitale Kommunikation auszuspähen, Geheimes aufzuknacken, sie zu speichern – gern auch mithilfe des Märchens vom Einzelfall. Und dann reingucken und speichern, was das Zeug hält. Weil: geht ja.

Weswegen, wie schon in den 90ern, die Mär vom neuen Crypto War wieder die Runde machte: Dürfen Nutzer ihre Daten elektronisch verschlüsseln? Oder darf die Regierung derlei Software verbieten und Hintertürchen in der Software von Firmen installieren, mit denen sie – nur, nur, nur im Einzelfall natürlich – Einblicke in die digitale Kommunikation potenzieller Delinquenten bekommen? Aber das ist eine längere Geschichte. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kämpfen sie noch heute. Meike Laaff

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