: Ich brauche Feminismus, weil ...
Frauen*kampftag Feministische, linke und linksradikale Gruppen planen rund um den 8. März zahlreiche Veranstaltungen. Höhepunkt ist die Demo am 6. März
von Theo Schneider
Nur wenig wiederkehrende Termine im Berliner Demonstrationskalender sind so traditionsreich und gleichzeitig so aktuell wie der alljährliche Frauenkampftag am 8. März. Erstmals auf Initiative Clara Zetkins am 19. März 1911 in Deutschland und einigen Nachbarländern organisiert, wird der Frauentag seit 1921 jährlich international am 8. März begangen.
FeministInnen und FrauenrechtlerInnen sehen sich 2016 nicht nur mit dem verstärkten Auftreten antifeministischer Gruppen wie der extrem rechten AfD oder fundamentalistischen „Lebensschützern“ konfrontiert, sondern seit den Vorfällen zur Silvesternacht in Köln auch mit der rassistischen Instrumentalisierung sexueller Übergriffe. In der Debatte ging es weniger darum, das Ausmaß sexueller Übergriffe an Frauen zu thematisieren, als vielmehr die vermeintliche Herkunft der Täter rassistisch auszuschlachten. Das im überwiegenden Großteil der Fälle von sexueller Gewalt die Täter aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld der Betroffenen kommen, wurde dabei bewusst ignoriert. Vielmehr wurden die Vorfälle dazu genutzt, weitere Verschärfungen des Asylrechts in Deutschland zu legitimieren. Aktuelle Anlässe, um auf die Straße zu gehen, gibt es für die Feministin von heute, auch mehr als hundert Jahre nach der Einführung des Frauenkampftags, also offensichtlich genug.
Diesen Problemen widmet sich eine bundesweite Demonstration am 6. März in Berlin unter dem Motto „Gemeinsam Grenzen einreißen“, behandelt im Aufruf aber auch globale Themen wie die Ausbeutung und Diskriminierung von Frauen im Kapitalismus, das Recht auf Abtreibung oder Vergewaltigungen als Kriegswaffe in den aktuellen militärischen Konflikten der Welt. Organisiert wird der Aufzug, der um 12 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz startet und zum Oranienplatz führt, von einem Bündnis verschiedener linker Organisationen, Parteien und Jugendverbänden. Sie verwehren sich gegen die Vereinnahmung von Frauenrechten durch Flüchtlingsfeinde und Rassisten wie nach Köln, denn: „Sexismus und Gewalt gegen Frauen* sind keine Importware, sondern allgegenwärtig in Deutschland.“
Linksradikale Gruppen wie die TOP B3erlin oder die Interventionistische Linke kritisieren in ihrer Mobilisierung zu einem eigenen „linken, radikalen, queeren und feministischen Block“ in Berlin ebenfalls die rassistisch motivierte Einengung der Debatte: „Männliche Herrschaft und männliche Gewalt haben viele Gesichter und Formen. Der rassistische Diskurs wehrt diese Einsicht ab. Er lagert das Problem von Patriarchat und Sexismus in andere Teile der Welt – und verschleiert damit männliche Herrschaft hierzulande.“
Sie rufen unter dem Motto „Make Feminism a Threat“ nicht nur zu der Demo in Berlin auf, sondern organisieren auch eine Busanreise für den 12. März nach Köln, wo bundesweit unter dem Motto „Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism“ ein antirassistisches Zeichen im aktuellen Diskurs gesetzt werden soll. Dort heißt es, im Verlauf der Debatte wurde „schnell nicht mehr über Sexismus gesprochen, sondern über die Verschärfung des Asylrechts, Abschottung und Abschiebung. Ein gängiges Fazit: Nicht der Sexismus in diesem Land sei das Problem, sondern die zu uns Geflüchteten. Jedoch: Sexismus ist nicht nach Deutschland eingewandert, Sexismus ist hausgemacht.“ Bustickets zur der Demonstration in Köln am 12. März sind im Buchladen Oh21 in Kreuzberg erhältlich.
In Berlin wird der Frauenkampftag von diversen thematischen Veranstaltungen eingerahmt: Unter anderem am 3. März mit einem Überblicksvortrag vom apabiz zum organisierten Antifeminismus in Deutschland von Maskulinisten bis AfD, am 7. März mit einer Diskussionsrunde zu linkem und feministischem Widerstand gegen eben jene Tendenzen, jeweils um 19 Uhr im Bandito Rosso in der Lottumstraße 10a. Die GEW diskutiert in ihren Räumen am 4. März unter anderem über feministische Perspektiven und Ziele als Gewerkschaft im Berufsalltag und allgemeinpolitisch. Mit einem Straßenfest auf dem Mathilde-Jacob-Platz am 5. März sowie einer Party am 8. März in der Villa Freundschaft sollen „vollbrachte und bevorstehende feministische Kämpfe“ auch gefeiert werden.
Eine weitere Demonstration ist auch direkt am 8. März geplant. Ab 15.30 Uhr findet eine FLTI-only (nur FrauenLesbenTransInter*) Demo unter dem Motto „International Women’s Day – Wir nehmen uns die Macht zurück!“ statt. Vom Kottbusser Tor wollen die TeilnehmerInnen „für eine Gesellschaft ohne Kolonialismus und Kapitalismus“ und „gegen das kapitalistische Patriarchat“ zum Oranienplatz ziehen.
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