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Als Kunst getarntes Event

Kunstförderung Barlachs Erben eröffnen die Barlach-Halle K neu – mit der Asphalt-Ausstellung von Albert Scopin. Ob es dort künftig eher Kunst oder lukrative Events geben wird, verrät aber niemand

Von Petra Schellen

Bitumen? Das ist doch dieses Zeugs, das die Altvorderen Erdpech nannten. Mit dem die Ägypter ihre Mumien zuschmierten, während Assyrer und Babylonier Prachtstraßen gegen Bodenfeuchte abdichteten. Der Stoff, aus dem der Asphalt ist, kommt übrigens aus der Natur – auf Trinidad existiert sogar ein Asphaltsee – und führt weit zurück in die Anfänge der Zivilisation. Vielleicht auch zu deren Ende, wenn irgendwann der ganze Erdball asphaltiert ist.

Bis dahin kann man aber schön Kunst damit machen und sich abarbeiten an diesem archaischen, nur unter extremer Hitze zu verflüssigenden Material. Diesen Kampf hat der derzeit in Hamburg präsentierte Künstler Albert Scopin aufgenommen – unter Einsatz seiner Gesundheit: Ohne Schutzmaske malt er den glühenden Asphalt mit einer Gasflamme auf Holzplatten, malt mit Öl – aber keine klassischen Ölgemälde, sondern teils oder ganz monochrome Werke, von denen manche wie Kalligraphien wirken.

Asphalt als Schrift, welch eine Idee: Scopin benutzt sie seit 2012, hat vorher gefilmt, fotografiert gezeichnet, gemalt; hat in den USA und Deutschland gelebt, immer wieder die Orte gewechselt, Lob gesucht und gemieden, Einsiedelei und Familie ausprobiert. Ein Nomade ist er geblieben, sich aufreibend an der Industriellenfamilie, aus der er stammt und die die Kunst nicht schätzt.

Jetzt ist er angekommen bei diesen schwarzen, altar-ähnlichen Arbeiten, die den Gemälden Pierre Soulages‘ gleichen und den Holzkohle-Kalligraphien von Lee Bae. Die Oberfläche ist mal glatt, mal ziseliert, aber immer unberechenbar. Und dass das Informel, dem man seine Kunst zurechnen kann, nicht neu ist, kümmert ihn nicht. Er findet, diese schwarzen Bilder seien auch Seelenlandschaften, und weil sie so schwer sind, hängen sie nicht, sondern sind trendy an die Wand gelehnt oder aufgebockt.

Und wie sie so trocken und kühl dastehen, sieht man nichts mehr von Dampf und Schweiß, sondern nur noch glänzende Abziehbildchen. Es seien eingetrocknete Sünden unserer Zivilisation, findet der Kunstprofessor Bazon Brock, der da gleich an eine Ölpest denkt.

Das tun aber die wenigsten. Die meisten Besucher laben sich an dem Kontrast zwischen dem archaischen Material und dem geschniegelten Ambiente: der 350 Quadratmeter großen Barlach-Halle K, zwischen Kunsthaus und Galerien in eine einstige Markthalle eingebettet und vom 2015 verstorbenen Hans Barlach von der Stadt gemietet.

Der war nicht nur Enkel des expressionistischen Bildhauers Ernst Barlach, sondern auch ein umtriebiger Kunstförderer und Medienunternehmer, der mal kaufte, mal verkaufte, sobald es sich nicht mehr rechnete. Die Hamburger Rundschau, die Hamburger Morgenpost und TV Today waren Opfer dieser Politik. Zuletzt war Barlach durch einen langen – und schließlich verlorenen – Rechtsstreit mit dem Suhrkamp-Verlag aufgefallen, an dem er Anteile hielt.

Um die Barlach-Halle K blieb es lange ruhig. Jahrzehntelang hatte er den Raum dem angrenzenden, auf junge Künstler spezialisierten Kunsthaus vermietet, das einen direkten Zugang zur Halle K hatte. „Sehr günstig“ habe Hans Barlach dem Kunsthaus die Halle untervermietet, ist zu hören. Wie günstig, verrät aber niemand.

Als der langjährige Kunsthaus-Chef Claus Mewes die Barlach-Halle 2013 aus Geldnot kündigte und kurz darauf selber ging, war Barlach allerdings nicht erfreut. 2014 ließ er den Durchbruch zumauern und brach jede Kommunikation ab; auch die jetzige Kunsthaus-Chefin Katja Schröder traf ihn nie. Rund ein Jahr lang stand die Halle danach leer; Barlach, der sie als Galerist hatte bespielen wollen, war mit Rechtsstreitigkeiten befasst, vielleicht auch schon gesundheitlich angeschlagen.

Nach seinem Tod im Sommer 2015 hat seine Witwe Elvie, Innenarchitektin, die Halle dann erst einmal renoviert und aufgepeppt: alles geweißt, zünftige Lounge-Sofas und flexible Wände rein gestellt, den Betonboden poliert. So viel Aufwand treibt man bestimmt nicht für die Kunst, die subversive zumal – und siehe da: Auf der Homepage wird inzwischen für die „lichtdurchflutete und großzügig gebaute Halle“ als „dezente und einladende Räumlichkeit – vielleicht auch für Ihre nächste Veranstaltung“ geworben.

In der Barlach-Halle K will man wenigstens bei der Eröffnung unter sich sein und sich als kunst­affin feiern

Es geht also um Events, nicht um Kunst, und wenn sich jetzt die Scopin-Ausstellung dorthin verirrt hat, dann vermutlich erstens wegen des Staun-Effekts und zweitens, weil noch ein Konzept fehlt. Zwar wolle man die Halle „wieder zu einer Kunst-Adresse in Hamburg machen“, sagt Elvie Barlach. Dabei werde sie den Raum für eine Ausstellung durchaus mal günstiger vermieten. Andererseits müsse sie ja auch von was leben.

Leben kann man aber eher von lukrativen Veranstaltungen für ein elitär-wohlhabendes Publikum, und genau so ist die – nur handliche zwei Wochen laufende – Scopin-Schau arrangiert: Neben einem vornehm cognacfarbenen Tisch steht eine ebensolche Vase mit braven Apfelblütenzweiglein, seien sie echt oder nicht. Und wer zu Pressevorbesichtigung oder Vernissage will, muss sich akkreditieren – ein in der Branche unübliches Verfahren, denn normalerweise freut sich der Galerist über jeden unverhofften Gast.

Aber in der Barlach-Halle K will man wenigstens bei der Eröffnung unter sich sein und sich als kunstaffin feiern. Dazu passt, dass PR-Beraterin Laura Kroth, die für die Stadt Hamburg sonst die China Time organisiert, Scopin „entdeckte“ und als Experten Tilman Kriesel, Kunstberater und Enkel des hannoverschen Kunstmäzens Bernhard Sprengel, holte.

Der gibt auch gleich zu, dass man die Halle für die Ausstellung habe mieten müssen; von Kunst-Sponsoring der Barlach-Erben keine Spur. Und Kriesels Job wird finanziert „von Menschen, die an das Projekt glauben“, orakelt er und blickt auf die vielen umherschwirrenden PR-Damen aus Berlin. Auch dies ungewöhnlich für eine Galerie, die eigentlich eher Personal spart und froh ist, wenn sie mal was verkauft. Aber da scheinen sich die Barlachs keine Sorgen zu machen, denn Scopin sei selbstverständlich eine Verkaufsausstellung, sagt Kriesel, nachdem Laura Kroth vorher das Gegenteil erzählt hat. Ein interessanter Mix aus Glamour und PR. Obwohl, da ist noch Luft nach oben.

Bis 5. 3., Barlach-Halle K, Klosterwall 3, Hamburg

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