piwik no script img

„Habe ihn Arschloch genannt“

Workshop Hemmschwelle für sexistische Sprüche ist im Netz geringer, sagt Bloggerin Trommer

Melanie Trommer

35, ist Soziologin und Betreiberin eines Blogs. Sie leitet Kurse zur Geschlechterforschung und Gleichstellung.

taz: Wann haben Sie den letzten sexistischen Spruch zu hören gekriegt, Frau Trommer?

Melanie Trommer: Vor zwei Jahren stand ich spät abends an einer Bushaltestelle und ein Typ hat im Vorbeigehen „Hey, du hast ja geile Haare“ gerufen.

Hilft es, in so einer Situation zurückzupöbeln?

Ich habe den Menschen als Arschloch bezeichnet. Das war nicht nett. Aber ich habe ihn nicht gebeten, meine Anwesenheit zu kommentieren und in dem Moment war das befreiend. Er antwortete: „Halt die Fresse, du Fotze, sonst fick ich dich!“ Da war mir klar, dass es gefährlich werden könnte, also bin ich schneller gelaufen. Man weiß aber nie, wie der andere reagiert, ob er einen nur auslacht oder gewalttätig wird.

Was ist an so einem Spruch sexistisch?

Grundsätzlich ist die Konstruktion zweier Geschlechter, die ungleich sind, also das Machtgefälle, das in unserer Gesellschaft besteht, sexistisch. Alles, was einen Menschen wegen seines Geschlechts beleidigt oder diskriminiert. Wenn jemand einen Blog-Artikel kommentiert mit „du bist doch nur ne hässliche ungevögelte Feministin“, ist das klar sexistisch. Wenn mir jemand im Gespräch mehr auf die Brüste, als ins Gesicht guckt, aber auch. Das Feld ist sehr weit.

Funktioniert Sexismus online anders?

Im Netz ist es einfacher, weil einen die Anonymität schützt. Im realen Leben hat man einen Menschen vor sich. Das hält viele dann ab. Vor einem Monat stand unter mehreren meiner Blog-Einträge der Kommentar: „Bei dir ergibt Sterbehilfe endlich einen Sinn.“

Wie gehen Sie damit um?

Den Kommentar habe ich weder beantwortet noch freigeschaltet. Wenn mir jemand ein ernst gemeintes Diskussionsangebot macht, gehe ich darauf ein. Wenn mir jemand auf den Teppich spucken will, nicht. Ich ignoriere alles, was unsachlich ist.

Sind Sie Feministin?

Ja, seit zehn Jahren nenne ich mich Feministin und Emanze. Mir ist egal, dass das auch abwertend verwendet wird. Ich finde, dass alle Menschen gleich sein sollen. Das mag eine naive Grundhaltung sein, denn sie wird an der Realität nicht sofort etwas ändern. Aber nur der Feminismus kann dafür sorgen, dass kein Mensch mehr weniger Chancen wegen seines Geschlechts haben muss.

Interview: Leonie Habisch

Vortrag und Workshop „Was tun bei Sexismus im Alltag und im Netz?“: 18 Uhr, Dorothee-Sölle-Haus, Königstr. 54, Eintritt sechs Euro

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen