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internet Der Wunsch zu flirten als Beginn der digitalen Kommunikation? Die Dauerausstellung „Das Netz. Menschen, Kabel, Datenströme“ im Deutschen Technikmuseum speist ihre Geschichte aus vielen Quellen

von Andreas Hartmann

Normalerweise erklären die Jungen den Alten, wie das Internet funktioniert, seit Herbst letzten Jahres versucht das Deutsche Technikmuseum es mal umgekehrt. Die neue Dauerausstellung „Das Netz. Menschen, Kabel, Datenströme“ richtet sich bevorzugt an Kinder und Jugendliche, die mehr über die Technik erfahren sollen, dank der sie heute den ganzen Tag chatten und YouTube-Stars bewundern können.

Ganze Schulklassen schauen hier vorbei und gemeinsam mit der Medienanstalt Berlin Brandenburg hat man für Sonderveranstaltungen einen „Data Run“ entwickelt, ein sogenanntes alternate reality game mit Hackern, Spionage und was einem sonst noch so zum Internet einfällt. Um nicht an der Zielgruppe vorbei zu konzipieren, wurde das Konzept der Ausstellung sogar im Austausch mit Jugendlichen erarbeitet.

„Das Netz“ ist Teil einer neuen Zukunftsoffensive des Museums. Die Ausstellung wird im ehemaligen Areal des früheren Anhalter Güterbahnhofs gezeigt, das neben dem Hauptgebäude liegend in den nächsten Jahren zu einem sogenannten Technoversum ausgebaut werden soll. Schon jetzt gibt es dort kostenloses WLAN für alle, das ist für Berliner Verhältnisse bereits ganz schön viel Zukunft.

Datenstrom, sichtbarauf 690 Metern Papier

Unsichtbare Datenströme, das ist das Internet. Um dieses etwas greifbarer zu machen, hat man sich allerlei einfallen lassen. Die Tweets etwa, die in den ersten Tagen nach Einrichtung des Hashtags „Aufschrei“ eingingen, 42.000 an der Zahl, wurden einfach mal ausgedruckt. Auf 690 Metern Papier. So lässt sich zumindest besser erahnen, in welchen Dimensionen Informationen durch das Netz gejagt werden. Kaum ein Aspekt der aktuellen Debatten rund ums Internet wird in der Ausstellung ausgelassen. Hacker, Musik aus dem Netz, Smartphones, alles kommt vor. Mobbing im Internet kann man vielleicht vermissen, aber das interessiert Eltern sowieso mehr als deren Kinder.

Hacker, Musikaus dem Netz,Smart­phones,alles kommt vor

Bei allem spielerischen Umgang mit dem Thema, um allerlei Schau- und Erklärungstafeln ist man dann doch nicht herumgekommen. Man soll das Internet aber auch einfach mal benutzen dürfen. An ein paar Computern kann man über ein LAN-Netzwerk endlich mal miteinander daddeln, keine Ballerspiele, aber immerhin Blobby Volley, ein Ballspiel mit gummibärchenartigen Figuren, das macht unter Umständen auch Spaß. „Gegeneinander zocken, zusammen abhängen“ heißt es in der Computerspiele-Abteilung der Ausstellung, auch sprachlich hat sich das Deutsche Technikmuseum beim Thema Internet ziemlich locker gemacht.

Technikhistorie wird groß geschrieben bei der Ausstellung, da bleibt das Deutsche Technikmuseum seinem grundsätzlichen Ansatz schon treu. Das Internet ist nicht einfach vom Himmel gefallen, erfährt man, sondern hat sich entwickelt, weil es ein Bedürfnis danach gab.

Tischtelefone, wie es sie in Tanzlokalen der 1920er bis 1960er Jahre gab, über die man mit seinem Tischnachbarn in Kontakt treten konnte, werden in der Ausstellung als Beleg dafür angeführt, dass es schon im analogen Zeitalter Freude an der Vernetzung durch Technik gab. Und es gibt ein Foto der Großfürstin Anastasia von Russland aus dem Jahr 1914, das diese selbst vor einem Spiegel aufgenommen hat. Das Selfie existiert also auch schon seit einer ganzen Weile.

Eine Ausstellung wie „Das Netz“ muss wohl in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden, zu rasend schnell geht es voran mit den Effekten der Digitalisierung. So manche aktuellen Befunde, die bestimmt bald nicht mehr gelten, sind aber vorerst noch interessant genug. Immer noch hat über die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zum Internet und immer noch verwenden die Deutschen am liebsten Passwörter wie „123456“ oder, noch besser: „Passwort“.

Auch wie schnell auf dem Weg zur vernetzten Gesellschaft etwas im wahrsten Sinne des Wortes museumsreif wird, bekommt man gut vorgeführt. Den MP3-Player findet man bald wohl nur noch im Deutschen Technikmuseum, dessen Job übernimmt heute das Handy, und dass es einmal Telefonrechnungen gab, das versteht im Zeitalter der Flatrates auch niemand mehr. Und was war noch mal „Second Life“?

Kein Alarmismus

Gelungen ist der Ansatz der Ausstellung, im pädagogisch-didaktischen Sinne aufzuklären, dabei aber nie einen alarmistischen Tonfall anzuschlagen. Gehe vorsichtig mit deiner Identität im Internet vor, wird einem beigebracht, aber auch auf eine Schautafel geschrieben: „Spielen bringt Menschen zusammen.“ Dass Zocken am Computer nicht automatisch zu seelischem und körperlichem Verfall führt, das erfährt man auch über ein Video, in dem ein ehemaliger Superdaddler über seine frühere Leidenschaft berichtet. Heute ist er Webentwickler und offensichtlich weitgehend normal. Beruhigend.

„Das Netz. Menschen, Daten, Kabelströme“, in der historischen Ladenstraße des Deutschen Technikmuseums, Di.–Fr. 9–17.30 Uhr, Sa. + So. 10–18 Uhr

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