ROLF LAUTENSCHLÄGER HÖRT SICH DEN „BÜRGERDIALOG GARNISONKIRCHE“ AN UND MEINT, DER TURM BRAUCHT NOCH ‘NE WEILE
: "Das würde in gewisser Weise an Körperverletzung grenzen"

Immer wenn ich nach Potsdam fahre, schaue ich, ob der Turm der Garnisonkirche schon steht. Fast alle in der brandenburgischen Landeshauptstadt reden nur noch über die Aufbaupläne an der Breiten Straße, ist doch die Stadt mit aller Macht dabei, Preußens Glanz und Gloria zu rekonstruieren. Das Schloss oder das Palais Barberini sind bereits wiederaufgebaut. Die Neugestaltung des einstigen Lustgartens aus der Zeit des Großen Kurfürsten ist wohl als Nächstes dran. Und der Wiederaufbau des mehr als 80 Meter hohen Turms der barocken Garnisonkirche – für das Schiff fehlt der Stiftung noch das Geld – hätte längst begonnen, wetterten nicht dauernd Bürgerinitiativen und teilweise sogar Exministerpräsidenten wie Manfred Stolpe dagegen an. Die 1968 gesprengte Soldatenkirche, „Symbol des Militarismus“, wie man zu DDR-Zeiten sagte, ist dennoch für viele in Potsdam quasi „gefühlt“ eine Realität. Aber eben nicht für alle.

Am Montagabend besuchte ich den frisch konstituierten „Bürgerdialog Garnisonkirche“ im Potsdamer Rathaus, in der Hoffnung, die Sache würde jetzt in eine entscheidende Richtung hin ausgefochten werden. Die Stadtverwaltung hatte die Meinungsrunde initiiert, um, sagen wir mal, gewisse Blockaden zwischen den Gegnern und Befürworten der Rekonstruktion aufzulösen. Weichen – ob neobarocker oder gar moderner Aufbau – sollten gestellt, Kompromisse, ja Vorschläge für das Stadtparlament erarbeitet werden.

Dass hier Gruppen wie die „BI für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ oder „Mitte neu denken“ und selbst ein „Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen“ auf Garnisonkirchenfans à la „Mitteschön“, die „Stiftung Garnisonkirche Potsdam“ oder auf die „Fördergesellschaft für den Wiederaufbau“ stießen, versprach doch einigen Spaß. Denn das umstrittene Bauvorhaben hatte nicht nur in der Vergangenheit für viel Zwist und Ärger in der Stadtgesellschaft gesorgt. Zuletzt ging es sogar noch darum, wer zu dem Bürgerdialog eingeladen werden durfte und wer nicht. Genug Streitpunkte lagen also in der Luft.

Nach dem Ende des Abends, auf der Heimfahrt nach Berlin, war ich aber innerlich irgendwie beruhigt: Statt übereinander herzufallen oder partout seine Interessen durchzudrücken, übten sich die Bürger – wir befanden uns schließlich im Osten – in der Praxis eines Runden-Tisch-Verfahrens, das die Fortsetzung des Dialogs mit „Themen, die in die Tiefe beziehungsweise in die Breite gehen“ beschloss. Das Erstere bedeutete, dass das Thema Garnisonkirche, deren Architektur und mögliche Nutzung als Versöhnungszentrum im Mittelpunkt der Debatte zu bleiben hatte. Andere strittige Punkte der Stadtentwicklung wie die FH, der Lange Stall, Mercure-Hotel und Lustgarten sollten außen vor bleiben. „Das würde in gewisser Weise an eine Art von Körperverletzung grenzen“, wurde da zu Recht angemerkt.

Das Zweite, also „in die Breite gehen“, sollte heißen, man will den Dialog bei weiteren Arbeitstreffen untereinander und mit den Potsdamer Bürgern in mehreren Veranstaltungsreihen fortsetzen – vielleicht bis hin zu einer „Bürgerbefragung“ Pro und Contra Wiederaufbau, wie der antimilitaristische Förderverein vorschlug. Zudem sollen sich weitere Dialogrunden mit Baurechtsfragen, der Organisation und der Gestaltung der „Plantage“ am Rechenzentrum, das einst anstelle der Kirche erbaut wurde, befassen. Ergo, das alles wird dauern. Der Turm steht noch lange nicht. Foto: ap