: Venezuela Ein Liter Super für einen Cent
Venezuela steht wirtschaftlich und finanziell mit dem Rücken zur Wand. Das Land mit den nach eigenen Angaben größten Ölreserven der Welt leidet enorm unter dem Ölpreisverfall. Dabei sieht sich die chavistische Regierung als Opfer eines US-Preiskrieges gegen die Bolivarische Revolution.
Mitte 2014 lag der Preis für das Fass noch knapp über 90 Dollar. Inzwischen ist er auf unter 25 Dollar pro Fass gefallen. Damit liegt er nur noch wenig über den auf 20 Dollar geschätzten Produktionskosten des in der Regel schweren und mittelschweren venezolanischen Rohöls. Entsprechend schrumpften die Exporterlöse im vergangenen Jahr um knapp 70 Prozent. Und weil Venezuela außer Erdöl so gut wie nichts exportiert, kann es entsprechend weniger importieren.
Neben den Schwierigkeiten, die lebensnotwendigen Importe von Lebensmitteln und Medikamenten zu finanzieren, drückt auch die Last des Schuldendienstes immer schwerer. Im September 2015 betrugen die Auslandsverbindlichkeiten rund 120 Milliarden Dollar. Dieses Jahr werden Tilgungen von rund 9,5 Milliarden Dollar fällig. Seit Längerem wird auf den Finanzmärkten über eine Zahlungsunfähigkeit spekuliert. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete dieser Tage, dass die venezolanische Zentralbank mit der Deutschen Bank über den Verkauf von Goldbarren aus ihren Reserven verhandelt. Beide Banken haben dies bisher nicht offiziell bestätigt.
Erstmals seit über einem Jahr hatte die Zentralbank Mitte Januar offizielle Zahlen vorgelegt. Danach schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal 2015 um 7,1 Prozent, die Inflationsrate betrug 2015 141,5 Prozent. Der Internationale Währungsfonds sagt für dieses Jahr eine Inflation von 700 Prozent voraus – wenn die Regierung wie erwartet das Staatsdefizit von 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch die Notenpresse ausgleicht.
Eine Preiskonstante gibt es jedoch: Seit Protesten im Jahr 1989 wurden die Benzinpreise an den Tankstellen nicht mehr erhöht, das Land hat die niedrigsten Spritpreise der Welt: Selbst zu offiziellem Kurs kostet der Liter Super umgerechnet nur gut einen Cent. Jürgen Vogt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen