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Ein Meilenstein der Kirchengeschichte

Religion Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche und der katholische Papst treffen sich erstmals

BERLIN taz | Schon jetzt ist ziemlich klar, was am Freitag gegen 14.15 Uhr passiert im sozialistischen Havanna auf dem Flughafen. Papst Franziskus, auf Durchreise nach Mexiko, und der Moskauer Patriarchen Kyrill I. werden auf einander zugehen. Die beiden Kirchenführer werden, so das minutiös geplante Protokoll, durch getrennte Türen gleichzeitig den Saal betreten, sich begrüßen und dann zwei Stunden miteinander sprechen. Noch nie haben sich ein Papst und ein russisch-orthodoxer Patriarch getroffen. Man könnte sagen, dass es 1.000 Jahre bis zu diesem Treffen brauchte.

Die Kirchengeschichte ist voller schrecklicher und komischer Seiten – dieses Treffen neigt eher zu den Letzteren: diese Zusammenkunft zwischen Papst Franziskus und seinem „lieben Bruder Kyrill“, wie er ihn nennt. Schon Papst Johannes Paul II., gewählt 1978, wollte immer nach Moskau reisen, dem „Dritten Rom“, um dort das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche zu sprechen. Erst jetzt, eine Generation später, ist ein Gespräch möglich, und Weltpolitik spielt dabei eine wichtige Rolle.

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65) haben Päpste zwar immer wieder orthodoxe Patriarchen getroffen – und schon das war anfangs eine Sensation, denn die römisch-katholische Kirche des Westens und die orthodoxen Kirchen des Ostens waren seit dem Jahre 1054 getrennt, gegenseitige Exkommunikation eingeschlossen. Diese Treffen aber waren nur welche mit den jeweiligen Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel in Istanbul. Die russisch-orthodoxen Patriarchen verweigerten sich stets, und dieser Moskauer Zweig der Orthodoxie ist mit rund 150 Millionen Mitgliedern die größte und wichtigste orthodoxe Kirche der Welt.

Theologisch liegen Rom und Moskau gar nicht so weit auseinander, da gibt es mit den Kirchen der Reformation seit 500 Jahren in der Regel mehr Probleme. Es geht eher um kirchenpolitische, ja machtpolitische Spannungen. Die machtbewussten Patriarchen in Moskau empörten in den vergangenen Jahrzehnten vor allem zwei Konflikte mit dem Vatikan: der um die mit Rom unierte griechisch-katholische Kirche in der Ukrai­ne und die Errichtung von vier katholischen Diözesen in Russland vor 14 Jahren.

Die Ursachen des ersten Konflikts liegen 70 Jahre zurück: Die sozialistische Führung der Sowjetunion, in der damals sowohl Russland wie die Ukraine lagen, zwang die russisch-orthodoxe und die griechisch-katholische Kirche in der Westukraine 1946 zu einer Fusion. Dadurch wurden Hunderte griechisch-katholische Kirchen russisch-orthodox. Als Anfang der neunziger Jahre die griechisch-katholische Kirche in der Westukraine mit der staatlichen Neugründung der Ukraine wieder unabhängig wurde, erhielt sie ihre Gotteshäuser zurück. Das aber betrachtete das Moskauer Patriarchat als Unrecht, auch des Vatikans.

Die Gründung von vier riesigen römisch-katholischen Bistümern in Russland 2002 sah Moskau ebenfalls als fast feindlichen Akt an: Nach Ansicht der russisch-orthodoxen Kirche versucht die katholische Kirche so, ihr Gläubige abzuwerben. Ein Affront, denn auf russischem Territorium soll es nach der Ideologie des Moskauer Patriarchats möglichst nur russisch-orthodoxe Christinnen und Christen geben.

Es geht eher um kirchenpolitische, ja machtpolitische Spannungen

Die russisch-orthodoxe Kirche ist traditionell eng an die staatliche Macht gebunden, nur zu Sowjetzeiten war das etwas anders. Wladimir Putin hat in seiner Zeit als Präsident und Ministerpräsident seit 1999 die russisch-orthodoxe Kirche als starken politischen Partner in­stalliert. So wurde beispielsweise 2010 die Rückgabe von 1917 enteignetem Kircheneigentum beschlossen.

Ein kirchenpolitisches Tauwetter zwischen Moskau und Rom könnte an diesem Freitag in Havanna durchaus anbrechen. Dafür wurde das Treffen extra protokollarisch niedrig gehängt: also auf neutralem Grund, ohne formellen Gastgeber, Gottesdienst oder Kirchenvolk. So wird eine Zusammenkunft „auf Augenhöhe“ möglich, ohne dass Moskau offiziell die Hürden für einen Dialog mit dem Papst abbauen musste. Das Treffen auf dem Flughafen und auf der Durchreise ist ein kleines diplomatisches Meisterwerk. Philipp Gessler

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