Hoppla: Sozialdemokraten vor Wahl im Aufwärtstrend

KOMMUNALWAHL Für die SPD gibt es in Umfragen gerade nicht viel zu lachen. Ausgerechnet in der Bankenmetropole Frankfurt/Main aber liegt sie vorn

Grün ist die Hoffnung: SPD vor der Frankfurt-Wahl Foto: Christian Charisius/dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Für die SPD läuft es in Umfragen derzeit nicht gut, weder im Bund noch in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz, wo demnächst gewählt wird. Dafür wittern die Genossen an anderer, überraschender Stelle Morgenluft: in Frankfurt am Main.

Jahrelang galt die Bankenstadt als SPD-Hochburg – dann erlebte die Partei einen Niedergang, der in einem schwarz-grünen Bündnis vor zehn Jahren endete. Bei der letzten Kommunalwahl 2011 landete die SPD mit 21,3 Prozent sogar hinter den Grünen (25,8) auf Platz drei.

Doch vier Wochen vor den hessischen Kommunalwahlen am 6. März scheint die Welt für die SPD wieder in Ordnung. Eine aktuelle Forsa-Umfrage sieht sie als stärkste Partei (29 Prozent) vor CDU (28), Grünen (17), Linken (9) und FDP (5). Mit sechs Prozent würde auch die AfD in den Römer einziehen. Schwarz-Grün hätte damit seine Mehrheit im Stadtparlament verloren. Das wäre auch ein Menetekel für das schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene.

Doch Skeptiker warnen. Auf Forsa sei selten Verlass, heißt es aus der SPD-Spitze, auch wenn das Institut die Sozis sonst eher zu niedrig bewertet. Dennoch herrscht Zuversicht. Vor allem zwei Politikern hat die SPD die Trendwende in Frankfurt zu verdanken. Zum einen Oberbürgermeister Peter Feldmann, der bei der Oberbürgermeister-Direktwahl vor fast vier Jahren als nahezu unbekannter SPD-Kandidat den haushohen CDU-Favoriten und Landesminister, Boris Rhein, schlug. Sein unkonventioneller Stil – er zeigt sich lieber bei Hausbesuchen und in Ortsbezirken als bei Opernpremieren und öffentlichen Empfängen – schadet ihm offenbar nicht. Er gilt als volksnah.

Der zweite Hoffnungsträger ist Mike Josef, 33 Jahre, SPD-Parteichef und Spitzenkandidat. Josefs Eltern flohen aus Syrien nach Deutschland, als er vier Jahre alt war. Als Asta-Vorsitzender der Frankfurter Universität war er maßgeblich an der erfolgreichen Kampagne gegen Studiengebühren in Hessen beteiligt. Er krempelte die Frankfurter SPD um und gab ihr ein neues Gesicht.

Die Flügel- und Grabenkämpfe scheinen überwunden. Der frühere Landtagsabgeordnete, Siegard Pawlik, 74, der eigentlich längst aufhören wollte und sich noch einmal zu einer Kandidatur überreden ließ, sagte der taz: „Man freut sich tatsächlich, wenn man sich sieht. Das war früher anders.“

Auf den Plakaten zeigt sich der junge Spitzenkandidat Josef mit trendigem Dreitagebart. Die alten Kämpen aus der Abteilung „60 plus“ reihen sich auf den hinteren Plätzen ein. Junge Frauen und Männer, viele mit Migrationshintergrund, prägen die Kandidatenliste der Partei. Spätestens seit Feldmanns Wahl zum OB setzt die SPD die Themen: bezahlbarer Wohnraum, Sanierung von Schulen und Ausbau von Betreuungsplätzen stehen inzwischen auch für die schwarz-grüne Römerkoalition auf Platz eins der Agenda.

Vor allem die Engpässe auf dem Wohnungsmarkt wurden lange unterschätzt. Über ein Jahrzehnt fielen Jahr für Jahr mehr Wohnungen aus der Sozialbindungen als neue gebaut wurden. Von dem Bauboom profitieren dagegen vor allem die Besserverdienenden. Angesichts des rasanten Zuzugs – jährlich kommen rund 15.000 Menschen nach Frankfurt – entstehen Engpässe bei den weiterführenden Schulen und in der Nachmittagsbetreuung. Beim Management der Herausforderungen operiert der Magistrat nicht immer glücklich.

Die relative Schwäche der CDU hat natürlich auch mit dem Erstarken der AfD zu tun. Die Grünen profitierten zudem vor fünf Jahren von der Reaktorkatastrophe in Fukushima. Beide Parteien nehmen die Umfragen daher ernst. „Wenn ihr denkt, der CDU einen Denkzettel verteilen zu können, sorgt ihr für eine linke Mehrheit im Römer“, rief CDU-Spitzenkandidat Michael zu Löwenstein den Kritikern der Flüchtlingspolitik zu.

"Man freut sich tatsächlich, wenn man sich sieht, das war früher anders"

Siegard Pawlik, SPD-Urgestein

Der grüne Spitzenkandidat Manuel Stock warnte wiederum vor einem „Rechtsruck“. Ein Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linken gilt weder Sozialdemokraten noch Grünen als realistische Option. Und dass es eine Große Koalition gibt, am Ende sogar unter SPD-Führung, ist ebenso unwahrscheinlich. Eher könnte die FDP die Mehrheit sichern, sagt ein führender Grüner.

Die FDP-Spitzenkandidatin Annette Rinn will „nichts ausschließen“. Auf die Kritik an der grünen Schuldezernentin Sarah Sorge angesprochen, der die FDP „Chaos und Stillstand“ in der Schulpolitik vorwirft, sagte Rinn der taz: Die Grüne sei „tatsächlich nicht die beste Besetzung für diese Position“. Doch Personalfragen würden erst am Ende möglicher Koalitionsverhandlungen besprochen. Dann kommt auch wieder der SPD-Oberbürgermeister zum Zug. Nach der hessischen Kommunalverfassung entscheidet er allein über die Zuteilung der Aufgaben im Magistrat.

CHRISTOPH SCHMIDT-LUNAU