Im Dienst der steilen These

Festival Wieder einmal vergibt die Transmediale die Chance, der Medienkunst eine Gelegenheitzur öffentlichkeitswirksamen Selbstdarstellung zu geben. Stattdessen gab’s Podiumsdiskussionen

Statt der üblichen Panelisten landet mal eine Drohne auf dem Podium der Transmediale Foto: Nicolas Maigret/flickr

von Tilman Baumgärtel

Ach ja, der japanische Avatar: Bei zwei ausverkauften Performances im Haus der Kulturen der Welt war Miku Hatsune zu sehen, eine virtuelle Mangafigur, die als Hologramm Live-Auftritte mit Band absolviert. Ob das wirklich der „Erste Klang der Zukunft“ ist, wie der japanische Name übersetzt bedeutet, sei einmal dahingestellt. Aber beeindruckend war es schon, und gut, dass mal gesehen zu haben.

Das war dann aber auch schon alles in Sachen spektakulärer Auftritte und Schauwerte bei der diesjährigen Transmediale, dem jährlichen Berliner Medienkunst-Festival. Von einer Ausstellung hatte man in diesem Jahr ganz abgesehen und wollte stattdessen den Status Quo von Medienkunst und Medienkultur nur durch Podiumsdiskussionen und Vorträge abbilden – das Konferenzmotto lautete entsprechend „Conversation Piece“.

Dass das ausgerechnet in der Medienkunst geschieht, deren Repräsentation an den Weiheorten der Gegenwartskunst – Museum, Kunstverein, Biennale – nach wie vor zu wünschen übrig lässt, ist nicht nachvollziehbar. Wieder einmal vergibt die Transmediale ihre Chance, der Kunst und der Szene, die sie vertreten soll (wofür sie seit 2005 von der Kulturstiftung der Bundes mit einer knappen halben Million Euro als „Leuchtturm-Projekt“ dauergefördert wird), eine Gelegenheit zur detektierbaren Selbstdarstellung in Berlin einzurichten. Dass Ausstellungen überflüssig geworden sind, weil man sich ja heute alles im Internet ansehen kann, wie Transmediale-Chef Kristoffer Gansing glaubt, widerlegt übrigens das Schwesterfestival Club Transmediale (CTM). Hier gibt es Jahr für Jahr klug kuratierte, interessante und stimulierende Ausstellungen zu aktuellen Themen zu sehen. Dass eine Veranstaltung, die sich eigentlich der Avantgardemusik widmet, dem Medienkunstfestival in Sachen Kunstpräsentation regelmäßig und im Wortsinn die Schau stiehlt, sollte zu denken geben.

Das gilt allerdings nicht für die Presse, die die Transmediale alljährlich mit wohlwollender Gleichgültigkeit begleitet. Der ist in diesem Jahr zum Teil noch nicht einmal aufgefallen, dass es kaum Kunst zu sehen gab. Mangels kritischer oder wenigstens informierter öffentlicher Debatte über ihr Programm gibt es für die Transmediale also überhaupt keinen Anlass zum Kurswechsel.

Freilich, es ist nicht nur die Transmediale, bei der der Diskurs manchmal wichtiger als die Kunst zu sein scheint. Auch bei anderen Medienkunstfestivals – wie der Ars Electronica in Linz oder dem European Media Arts Festival in Osnabrück – gibt es ein ausgedehntes Vortrags- und Diskussionsprogramm. Auch die haben oft dezidierte Schwerpunktsetzungen, bei denen die Kunst – die immerhin gezeigt wird – in den Dienst der steilen These genommen wird. Das hat nicht nur mit der generellen „Erklärungsbedürftigkeit der modernen Kunst zu tun“, die einst Arnold Gehlen entsetzte. Themen, von denen Medienkunst handelt, sind oft schon qua der zur Rede stehenden Medien solche, die eine hohe gesellschaftlichen Relevanz haben. Sie in einem Rahmenprogramm zu diskutieren ist daher nicht falsch.

Die Transmediale fährt einmal mehr einen Wanderzirkus Vortragender auf

Gleichzeitig sind die Festivals, die ursprünglich der Selbstverständigung einer Szene von Künstlern, die mit Medien arbeiteten und deswegen vom Kunstbetrieb marginalisiert wurden, zu einem Biotop geworden, in dem oft kritiklos auch Arbeiten gezeigt werden, bei der technische Raffinesse vor konzeptueller Schlüssigkeit kommt. Dass man solche Arbeiten nicht bei seiner Veranstaltung haben möchte, ist nachzuvollziehen, kann aber durch besseres Kuratieren vermieden werden.

Denn gerade in den letzten Jahren wurden unter Labeln wie „Post Internet Art“ oder „New Aesthetic“ eine Reihe junger Künstler erfolgreich, die man durchaus in einem Zusammenhang mit der Medienkunst sehen kann, um die es bei der Transmediale geht. Aber der kometenhafte Aufstieg von Künstlern wie Simon Denny, Jon Rafman, Petra Cortright, Ryan Trecartin, Aleksandra Domanović oder Oliver Laric hat jenseits der Welt der Medienkunst à la Transmediale stattgefunden. Statt sich in diese Richtung zu öffnen, statt übersehene und auszubuchstabierende Beziehungen zwischen der Tradition der Medienkunst und den Trendkünstlern der Gegenwart darzustellen, fährt die Transmediale einmal mehr einen Wanderzirkus von Vortragenden auf, die zum Teil seit mehr als zwanzig Jahren bei derartigen Veranstaltungen das große Wort führen.

Dass dabei die üblichen Konferenzroutinen durchbrochen würden, wie Kristoffer Gansing versprochen hatte, stimmte leider nicht. Zwar signalisierten die coolen Sitzgruppen von der Künstlergruppe Raumlabor im Foyer des HKW eine Diskussionssituation. Aber nur eine vergurkte Talkshow zur Eröffnung und ein als Picknick gestalteter Vortrag von Ralf Homann versuchten, einmal nicht die sattsam bekannten Tagungsrituale zu bedienen. Doch die Mehrzahl der Panels funktionierte nach bewährtem Prinzip: Zwischen drei und fünf Referenten droppen ihre Präsentationen, im Hintergrund leuchten die Powerpoint-Folien, das Publikum sitzt stumm dabei und guckt auf seine Smartphones. Am Schluss darf es dann noch ein paar Fragen stellen.