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Rückzieher nach markigem Aufruf

Ruhrgebiet Essener SPD-Ortsvereine sagen einen geplanten "Lichtermarsch" gegen mehr Flüchtlinge ab

Rüffel aus Düsseldorf: Kraft sprach ein Machtwort Foto: Maja Hitij/dpa

BERLIN taz | Es ist selten, dass sich eine SPD-Ministerpräsidentin zu Aktionen von Ortsvereinen äußert. Doch am Samstag reichte es Hannelore Kraft. Die SPD stehe für eine Willkommenskultur für Flüchtlinge, schrieb sie auf Twitter. Und legte nach: „Protestaktionen, die das in Frage stellen könnten, lehnen wir entschieden ab.“ Diese schadeten dem Ansehen der SPD insgesamt.

Spätestens jetzt war aus einer Posse ein Politikum geworden. Der Rüffel aus Düsseldorf traf drei SPD-Ortsvereine im Ruhrgebiet – in Essen-Karnap, Altenessen und Vogelheim. Sie hatten auf Facebook zu einem „Solidaritätslauf“ in Sachen Flüchtlingspolitik am Dienstagabend aufgerufen. Erst sprachen die Initiatoren sogar von einem „Lichtermarsch“ – wer will, kann sich an Fackelmärsche von Neonazis erinnert fühlen.

Auch das Motto klang markig: „Genug ist genug. Integration hat Grenzen. Der Norden ist voll.“ Es könne nicht sein, dass mehr als 70 Prozent der neuen Flüchtlingsunterkünfte im Norden der Stadt errichtet werden sollten, argumentierte Stephan Duda, Ortsvereinschef in Essen-Karnap, auf Facebook.

Übernehmen SPD-Ortsvereine den Sound von Pegida und Co? Die Empörung ließ nicht auf sich warten. Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner nannte den Aufruf auf Twitter „ziemlich unfassbar“. Der grüne NRW-Landeschef Sven Lehmann schrieb: „Das glaube ich jetzt nicht.“ Und Kai Gehring, Grünen-Bundestagsabgeordneter aus Essen, warf den SPD-Kommunalpolitikern vor, „AfD und NPD nachlaufen zu wollen“.

Auf Facebook entwickelte sich ein veritabler Shitstorm. In Kommentaren wurden Duda und andere Initiatoren aufgefordert, ihr SPD-Parteibuch zurückzugeben. Nutzer fühlten sich an die Wortwahl der rechtspopulistischen AfD erinnert. Die Essener Jusos distanzierten sich von der Aktion. Beifall kam hingegen von AfD-Aktivisten.

Ganz so, wie es die Empörten unterstellten, war es dann doch nicht. Da sei einiges missverstanden worden, entgegnete Duda den Kritikern auf Facebook. Er sei selbst als Ehrenamtler aktiv in der Flüchtlingshilfe. Es gehe ihm nur um die Standortwahl und die Verteilung der Flüchtlinge in der Stadt. Kurz: Die Aktion richtete sich laut Duda gar nicht gegen Flüchtlinge an sich. Im Essener Norden leben viele Menschen mit Migrationshintergrund und viele Arbeitslose.

Die Verteilung der Flüchtlinge in Essen wird von manchen als unfair empfunden

Solche Feinheiten gingen in der Aufregung unter. Ministerpräsidentin Kraft erteilte ihren Kollegen vor Ort Nachhilfe in politischer Strategie. Wenn es Probleme mit der Verteilung der Flüchtlinge in Essen gebe, twitterte die SPD-Regierungschefin, „muss das im Rat der Stadt diskutiert und entschieden werden“. Hier ist der Oberbürgermeister gefordert. Jener, das sagte Kraft nicht extra dazu, ist in der CDU.

Die SPD-Ortsvereine reagierten schnell auf die Kritik. Noch am Samstagabend zogen Duda und seine Kollegen den umstrittenen Aufruf zurück. Auf Facebook begründete Duda: „Da die AfD und die NPD die Demo am 26. Januar als ihre Plattform nutzen will, werden wir die Demo absagen.“ Ulrich Schulte

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