piwik no script img

Böhnhardt und Mundlos: „Einen Ali weniger“

NSU Zum zweiten Mal äußert sich Beate Zschäpe vor Gericht – und benennt Helfer des Trios

Die Jahre im Untergrund seien nur durch Sekt „erträglich“ gewesen

MÜNCHEN taz | Es war schon nicht mehr damit zu rechnen. Über Stunden wurde am Donnerstag der NSU-Prozess durch Nicklichkeiten und Befangenheitsanträgen lahmgelegt. Dabei sollte der Tag den zweiten großen Auftritt von Beate Zschä­pe bringen. Nochmals wollte sich die Hauptangeklagte zur Anklage äußern.

Am späten Nachmittag war es doch noch soweit. Über ihren Anwalt Hermann Borchert ließ Zschäpe die Antworten auf die mehr als 50 Fragen verlesen, die ihr Richter Manfred Götzl nach ihrer ersten Einlassung im Dezember gestellt hatte. Und wie damals wies die 41-Jährige die Anklage zurück: Die zehn Morde, zwei Anschläge und 15 Überfälle des NSU seien allein auf das Konto ihrer Kumpanen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gegangen.

„Unfassbar“ seien diese Taten, ließ Zschäpe am Donnerstag vortragen. „Rückblickend hätte ich bereits zum Zeitpunkt des Untertauchens eine andere Entscheidung treffen und mich stellen müssen.“ Die fast 14 Jahre im Untergrund seien irgendwann nur noch durch Sektkonsum „erträglich“ gewesen, „drei bis vier Flaschen am Tag“.

Mundlos und Böhnhardt schilderte Zschäpe dagegen als überzeugte Rechtsextreme, die die NS-Zeit verherrlicht hätten und „etwas dagegen hatten, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben“. Die von ihnen Ermordeten hätten beide als „Kanake“ oder „Dreckstürke“ bezeichnet und auf Einwände gesagt, dann gebe es eben „einen Ali weniger“. Selbst ihr gegenüber sei Böhnhardt „handgreiflich“ geworden.

Zschäpe zählte zudem – anders als bei ihrer ersten Einlassung – weitere Helfer auf, viele aus dem früheren rechtsextremen Blood&Honour-Netzwerk. Diese hätten für sie Wohnungen angemietet, Reisepässe oder Krankenkassenkarten beschafft. Auch zwei neue Waffenbeschaffer benannte Zschäpe: Jan W., den früheren Blood&Honour-Chef von Sachsen, und Hermann S., einen Zwickauer Computerladenbetreiber. Zschäpes Aussage könnte sie nun auf die Anklagebank befördern.

Zschäpe beschuldigte erstmals auch den Mitangeklagten und früheren Vertrauten André E. Der Zwickauer Neonazi schweigt als einziger noch im Prozess, er hatte bis zum Schluss mit seiner Frau das untergetauchte Trio besucht. Zschä­pe schilderte, wie E. dem Trio Bahncards und eine Wohnung besorgte. Auch habe er sie einmal bei einem Termin auf einem Polizeirevier begleitet. Noch auf ihrer Flucht im November 2011 habe E. sie mit dem Auto abgeholt und ihr Wechselwäsche übergeben. Vieles davon war den Ermittlern bekannt – Zschäpes Aussage aber bestätigte es nun. Konrad Litschko

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen