Burundis Expräsident Ntibantunganya: „Es geht um Sicherheit für die Bürger“

Sylvestre Ntibantunganya fürchtet eine „Katastrophe“ wie den Völkermord in Ruanda. Afrikanische Truppen müssten jetzt „die Burunder vor Gewalt schützen“.

Protestmarsch gegen Burundis Präsident am 3. Juni 2015

Wäre heute lebensgefährlich: Protestmarsch gegen Burundis Präsidenten, 3. Juni 2015 Foto: reuters

taz: Herr Ntibantunganya, der UN-Sicherheitsrat reist zu Gesprächen nach Burundi, um die dortige Krise zu lösen, und in UN-Berichten steht, dass in Burundi ein Völkermord droht. Stimmt diese Einschätzung?

Sylvestre Ntibantunganya: Ich sage lieber, dass man alles tun muss, um ein Entgleisen zu verhindern. Man sollte beachten, was in Ruanda zwischen 1990 und 1994 geschah, vor dem Völkermord dort. Es gab gezielte Morde, die wurden nicht verhindert und nicht aufgeklärt; dies führte in eine schwere Krise, die in den Völkermord mündete. In Burundi heute müssen wir uns alle bewusst sein, dass wir alle nur verlieren, wenn wir zulassen, dass das Land in eine ebensolche Katastrophe schlittert. Aber wenn wir miteinander verhandeln, können wir das Land retten.

Die Regierung von Präsident Pierre Nkurunziza will aber nicht mit dem Oppositionsbündnis CNARED verhandeln, dem Sie angehören.

Man verhandelt nicht, mit wem man will, sondern mit demjenigen, mit dem Gespräche ein Ergebnis bringen. Wenn Nkurunziza und die anderen sagen „Wir reden nicht mit CNARED“, zeigt es, dass CNARED der richtige Partner für die internationale Gemeinschaft ist, weil dieses Bündnis die wichtigsten Oppositionskräfte und vier ehemalige Staatspräsidenten Burundis vereint. Selbst wenn einige Schuld auf sich geladen haben – man muss über Frieden sprechen. Der regionale Vermittler, Ugandas Präsident Museveni, hat klar gesagt: Keine Vorbedingungen für Gespräche. „Gespräche“ heißt nicht Amnestie. „Gespräche“ heißt die Bedingungen schaffen, damit jeder Verantwortung übernehmen kann. Manche Vertreter der Regierungspartei sind so unerfahren, dass sie sich selbst in unvorteilhafte Positionen bringen. Gespräche können Sackgassen in Auswege verwandeln.

Die Regierung sagt, Oppositionsführer hätten Verbindungen zu bewaffneten Gruppen.

Wenn man selbst stark genug ist, braucht man keine Angst zu haben, sich mit anderen an einen Tisch zu setzen. Leute einfach beschuldigen bringt nichts.

Am Wochenende kommt die Afrikanische Union zu ihrem Staatengipfel zusammen. Was raten Sie der AU?

Ich verlange, dass alles getan wird, damit nie wieder so etwas geschieht, wie es am Ende des 20. Jahrhunderts in dieser Region geschah. Als ehemaliger Staatschef sage ich, dass die Sicherheit der Bürger die oberste Pflicht eines Staatschefs ist. Unsere aktuellen Führer müssen dafür etwas tun, damit Burunder der Gewalt entsagen.

Der 59-jährige Hutu-Politiker war Burundis Interimspräsident von April 1994 bis Juli 1996, während des ruandischen Völkermordes und des burundischen Bürgerkrieges. Heute lebt er in Belgien und ist im Opposi­tions­bündnis CNARED aktiv.

Soll die AU Truppen nach Burundi schicken, wie im Prinzip bereits beschlossen?

Afrika muss mit einer Stimme sprechen und Nkurunziza und den Seinen sagen, dass afrikanische Truppen kommen, um die Burunder vor Gewalt zu schützen. Man sollte darüber keine endlosen Diskussionen führen. Burundi muss diese AU-Truppe akzeptieren, und die AU muss die Bedingungen ihrer Stationierung sowohl mit der Regierung als auch mit der CNARED-Opposition aushandeln.

Aber die Regierung hält Sie und die gesamte CNARED für Verräter und will keine AU-Truppen in Burundi.

Verräter? Verrat woran? Für Frieden und Sicherheit einzutreten ist kein Verrat, sondern Patriotismus, Menschlichkeit. In Burundi haben wir unsere Menschlichkeit verloren.

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UNO will vermitteln

Krise in Burundi: Seit der von der Opposition abgelehnten Wiederwahl des Präsidenten Pierre Nkurunziza zu einer in der Verfassung nicht vorgesehenen dritten Amtszeit fielen Hunderte von Menschen politischer Gewalt zum Opfer. Die Sicherheitskräfte werden für Hinrichtungen und gezielte Gewalt gegen Tutsi verantwortlich gemacht.

UNO besorgt: Nach Warnungen, in Burundi drohe ein Völkermord, treffen heute die UN-Botschafter der im UN-Sicherheitsrat vertretenen Staaten zu Krisengesprächen in Burundi ein. Am Freitag wollen sie den Präsidenten zu Gesprächen mit der Opposition überreden. Die letzten Vorgespräche in Uganda Ende Dezember waren ergebnislos vertagt worden.

AU eingreifbereit: Im Dezember schlug die Afrikanische Union die Entsendung einer 5.000 Mann starken Friedenstruppe vor. Nkurunziza lehnt das ab.

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