Buch über Marburg-Virus: Mit den Affen kam der Tod

An Affen sollten in den Behring-Werken Impfstoffe getestet werden. Doch mit ihnen kam vor fast 50 Jahren auch das Marburg-Virus.

Eingefärbte elektronenmikroskopische Aufnahme eines Marburg-Viruses.

Das Marburg-Virus im Elektronenmikroskop (eingefärbte Aufnahme). Foto: dpa

BERLIN taz | Ende Dezember zählte die WHO 11.315 Todesfälle durch Ebola, die meisten in Guinea, Liberia und Sierra Leone. Selten hat in den letzten Jahren eine Epidemie die Welt so in Atem gehalten wie der letzte Ebola-Ausbruch. Die reale Furcht vor globalen Infektionsrouten mischte sich dabei mit Angstfantasien, der „schwarze Kontinent“ könnte die ganze Menschheit gefährden.

Das Ebola-Virus gehört zur Familie der Filoviren, die ein gefährliches, oft tödlich verlaufendes hämorrhagisches Fieber auslösen und vor einem halben Jahrhundert noch nicht bekannt waren. Ihre Entdeckung geht auf ein fast vergessenes Infektionsereignis in Deutschland zurück, das die betroffene Stadt epidemiologisch weltweit bekannt machte, das Marburg-Virus.

Die beschauliche nordhessische Universitätsstadt wurde im Sommer 1967 nämlich nicht von Studierenden in Aufruhr versetzt, sondern von einem Erreger, der sich eigentlich in Tieren festsetzt, in diesem Fall aber die Gattungsgrenze übersprang. Schauplatz waren die Marburger Behring-Werke, wo damals noch massenhaft Affen zur Impfstoffproduktion für das Polio-Serum gehalten wurden. Kinderimpfpässe aus dieser Zeit erinnern noch an dieses deutsche Industriemonopol.

Die damals 19-jährige Friederike Moos befand sich im August 1967 in der Schlussphase ihrer Biologielabor-Ausbildung und war in der Gewebezucht beschäftigt. Das „Werk“ mit seinen 2.000 Mitarbeiter, die durch das „Hornen“ zur Arbeit gerufen wurden, bestimmte ihre kleine Welt. Bis zum 14. August, als sich plötzlich der erste Tierpfleger krank meldete.

Friederike Moos: „In uns und um uns. Meine Begegnung mit dem Marburg-Virus“. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2015, 140 Seiten, 16,90 Euro

Niemand dachte sich etwas dabei, bis immer mehr Mitarbeiter aus den Affenställen und den Laboren ausfielen mit Krankheitssymptomen, die schnell einen dramatischen Verlauf nahmen.

Dennoch dauerte es eine Weile, bis überhaupt ein Zusammenhang zwischen den Affen und der Infektion hergestellt wurde. Als er nicht mehr zu leugnen war, ließ das Krisenmanagement zu wünschen übrig: Erst nachdem es die ersten Todesopfer gab, wurde die Öffentlichkeit informiert, und man begann, Kontaktpersonen zu ermitteln. Die 501 Affen wurden getötet. Aber noch immer war unklar, womit man es eigentlich zu tun hatte.

Die 501 Affen wurden getötet. Aber noch immer war unklar, womit man es eigentlich zu tun hatte

Fast 50 Jahre nach den Ereignissen hat Moos den Weg dieses Traumas noch einmal abgeschritten. Sie hat sich mit Überlebenden, ehemaligen Kollegen und ihren Nachkommen getroffen, Wissenschaftler, die damals in Marburg eine Rolle spielten, befragt und das Geschehen auf Grundlage des Werksarchivs minutiös rekonstruiert.

Dass es sich beim Marburg-Virus um einen neuen Erreger handelte, der nicht zuletzt über fahrlässige Tierimporte eingeschleppt worden war, stellte sich erst nach und nach und mittels teilweise abenteuerlicher Experimente heraus.

Moos geht es aber weniger um die – durchaus erhellende – wissenschaftliche Aufarbeitung als darum, die vergessene Geschichte der Betroffenen in die kollektive Erinnerung zurückzuholen. Sie verhehlt dabei das eigene Trauma nicht, das wohl auch darin besteht, dass sie damals zufällig nicht infiziert wurde.

Ihr Bericht führt in die Grauzone der medizinischen Forschung der frühen Bundesrepublik, die sich noch kein Gewissen machte um „Tierverbrauch“ und menschlichen Arbeitsschutz „nach dem Stand der Wissenschaft“ eher herunterdimmte. Dass die junge Frau einsam in ihrem Labor ausharren musste, als fast alle Kollegen erkrankt waren, spricht Bände. Ihre sehr lebendige und einfühlsame Schilderung lässt über die oft zu langen Zitatpassagen, bei denen gelegentlich unklar bleibt, wer spricht, und die sicher nicht von der Autorin verantwortete unübersichtliche Typografie hinwegsehen.

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