: Fete für den Lieblingscousin
Geburtstagsparty David Bowie wird 69 und in Berlin feiert man dies, wie es seit vielen Jahren gute Tradition ist, gleich an zwei Abenden – auch in Abwesenheit des Heros
von Stephanie Grimm
Die traurige Nachricht vorweg: Am Donnerstag ist nach kurzer Krankheit Sven Meisel gestorben, der Chef der Hansastudios. Er wurde nur 49 Jahre alt und führte in dritter Generation die Meisel Musikverlage, zu denen seit 1975 auch das legendäre Tonstudio in der Nähe des Potsdamer Platzes gehört.
Feiern wollte man dort am vergangenen Freitag trotzdem, David Bowies 69. Geburtstag und den Release seines neuen Albums „Blackstar“. Schließlich hatte vor allem Bowie die Studios über die Grenzen Berlins hinaus berühmt gemacht; in den 1980 Jahren folgten ihm Depeche Mode, U2 oder auch Nick Cave.
Und tatsächlich kamen die Fans für diese Party von weither angereist. Viele Briten und Skandinavier sind da, um die Luft der heiligen Hallen zu schnuppern, in denen Bowie „Heroes“ komponierte – und der Legende nach sich beim Schreiben des Textes von seinem damaligen und heutigen Produzenten Tony Visconti inspirieren ließ, der vor dem Fenster im Schatten der Mauer heimlich herumknutschte.
Von dem gab es dann auch eine Videogrußbotschaft an alle, die sich im sogenannten Meistersaal eingefunden hatten. Seit Bowie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat und nur noch sein Werk sprechen lässt, ist Visconti so etwas wie Bowies Sprecher auf Erden. Er steht in seinem Flur zu Hause, vor einem Foto der beiden beim Skifahren in den Schweizer Bergen und wünscht einen schönen Abend.
Mittlerweile ist der Meistersaal – „the big hall by the wall“ (wie Bowie das ehemalige Studio 2 nannte) – kein Ort mehr, an dem Musik aufgenommen wird, sondern eine exklusive Eventlocation, was sich auch an den Eintrittspreisen ablesen lässt: 50 Euro kostet im Vorverkauf das volle Programm – und knapp die Hälfte, wenn man nur die anschließende Party mit Live-Acts (wie etwa die Cabaret-Glam-Combo Pleasuredome) erleben will. Durch den Abend führte ein sympathisch aufgeregter Thilo Schmied, der als Veranstalter der Berlin Music Tours regelmäßig Station in den Studios macht.
Anfänglich geht es tatsächlich zu wie auf einem Familientreffen anlässlich des Geburtstags eines entfernten Verwandten. Dass viele hier sich offenbar seinerzeit als jugendliche Fans als Teil einer verschworenen Clique erlebten, wirkt nach: Fremde lächeln einander an. Bowie ist, wie die Schauspielerin Tilda Swinton es 2013 in ihrer Eröffnungsrede der seitdem durch die Welt tourenden „David Bowie Is“-Ausstellung treffend formulierte, nun mal „every alien’s favourite cousin“. Fast jedes Kleidungsstück huldigt dem Künstler: Bei manchen muss das letzte Tour-Shirt reichen, andere haben richtig an ihrem Outfit gefeilt.
Iggy Pops Sohn Eric Vensen kommt kurz auf die Bühne und erklärt, dass er nun etwas zu “Bowie, the man“, nicht „Bowie, the musician“ sagt – wo doch Bowie immer Wert auf die Feststellung legt, dass es nur einen Künstler namens Bowie gibt. Als Privatmensch sei er David Jones und der habe niemanden zu interessieren.
Anschließend plaudert der sehr sympathische 72-jährige Edu Meyer, der seinerzeit mehr zum Sound der Alben „Low“ und „Heroes“ beigetragen hat, als es ein Toningenieur gemeinhin tut, aus dem Nähkästchen. Dazu gibt es eine Diashow, die zumindest für die anwesenden Berliner eine eindrucksvolle Zeitreise ist. 1976 sah die Umgebung der Studios, heute mit Investorenarchitektur zugekleistert, tatsächlich aus, als hätte der Zweite Weltkrieg gerade erst geendet.
Doch im Mittelpunkt steht an dem Abend das Publikum. Rührend etwa das Vater-Sohn-Gespann, bei dem man sich nicht sicher ist, ob nun der 17-Jährige seinen Vater hergeschleppt hat oder umgekehrt – so enthusiastisch sind beide bei der Sache. Ebenso wie der ältere Herr, der durchgängig bei jedem Song, der an diesem Abend zu hören ist (egal ob vom Tonträger oder gecovert von Paul Henderson, dem Tributekünstler, dessen Stimme fast unheimlich bowiesk klingt), mitsingt: leise, konzentriert und mit einem entrückten Lächeln.
Die Fans treffen sich dann noch einmal am nächsten Abend, in der Kneipe „Neues Ufer“, wie es zu Bowies Geburtstag seit über 10 Jahren eine schöne Tradition ist. Nebenan wohnte Bowie während seiner Berliner Jahre. Damals hieß der Laden „Anderes Ufer“ und war einer der ersten Schwulentreffs, wo man sich nicht hinter dicken Vorhängen versteckte. Angeblich hat Bowie seinerzeit den Glaser bezahlt, als die Scheibe eingeworfen wurden. Es herrschte eine Atmosphäre wie beim Klassentreffen.
Eine Frau erzählt, dass sie abends kaum mehr ins Bett findet, seit sie Bowie vor zwei Jahren für sich entdeckt hat; so zwingend will sie immerzu seine Musik hören. Irgendwann wirft der Conferencier Klaus die Karaokemaschine an. Aus jedem Song wird ein vielstimmiges Chorstück.
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