piwik no script img

Ernst nehmen man darf es nicht so sehr

ORTSTERMIN In Berlin wurde am Sonntag ein recht deutscher "Star Wars"-Gottesdienst gefeiert

Im Kino an der Hauptstraße von Hanau-Großauheim habe ich „Star Wars“ zum ersten Mal gesehen: Die Weiten des Universums sind dort im Südhessischen recht überschaubar. Es wird 1978 gewesen sein, ein Freund, der häufiger mal in Amerika war, sagte, da müsse man reingehen, und ich war mit meinen elf Jahren tatsächlich beeindruckt, auch wenn ich erst später ahnte, warum die Sitze so klebrig waren, denn sonst liefen in diesem Kino andere Filme. Dann vergaß ich die „Stars Wars“-Filme ein paar Jahrzehnte, ohne dass mir etwas entging, wie mir schien. Einmal landete ich beim Zappen tief in der Nacht in einer Laserschwert-Kampfszene und war erschüttert, wie unspannend und schlecht gespielt das Pseudospektakel war. Man sollte die Mythen seiner Jugend nie überprüfen.

Nun also der „Star Wars“-Gottesdienst am Sonntagmorgen in der Zionskirche in Berlin-Mitte. Das evangelische Gotteshaus war ein Ausgangspunkt der friedlichen Revolution 1989/90 in der DDR, der Ort auch, an dem der von den Nazis ermordete Widerstandskämpfer und Jahrhunderttheologe Dietrich Bonhoeffer eine Zeit lang wirkte. Eine heilige Stätte also, selbst für die eher nüchternen Protestanten. Der deutsche Protestantismus steht immer im Verdacht, sich dem Zeitgeist zu sehr anzuverwandeln. Für Kulturpessimisten dürfte dieser Gottesdienst, zu dem, wie zu erwarten war, etwa ein halbes Dutzend Fernsehteams aus aller Welt zugegen war, der beste Beleg sein, dass dieser Verdacht berechtigt ist.

Darth Vader in Washington

Natürlich liegen die Parallelen zwischen der christlichen Theologie und dem „Star-Wars“-Mythos auf der Hand, also „Der ewige Kampf Gut gegen Böse“, „Liebe ist stärker als Hass“, „Aufopferung für das Gute“, „Die Macht sei mit dir“ und so weiter, und zu fragen wäre eher: ­Warum ist niemand schon früher darauf gekommen, einen solchen Gottesdienst zu feiern? Übrigens gibt es seit etwa 30 Jahren eine Darth-Vader-Figur als modernen Dämon am Nordwest-Turm der National Cathedral in Washington. Man kann sie als handgemachte kleine Plastik-Replik im Kirchenshop auch erwerben, für satte 39,99 Dollar.

Das zeigt: Natürlich kann man mit dem Mythos „Star Wars“ als Kirche auch spielen – nur ernst nehmen man darf ihn nicht so sehr. Daran krankte der Gottesdienst in der Zionskirche, der von den Vikaren Ulrike Garve und Lucas Ludewig gestaltet wurde. Es fehlte an Humor und Leichtigkeit. Das war schon bei der Begrüßung der Gottesdienstbesucherinnen und -besucher zu befürchten, als Pfarrerin Eva-Maria Menard sagte, man wolle zum 4. Advent einen Gottesdienst wie immer feiern, ach, die Kameras würden nach dem Anfang der Feier abgeschaltet (woran sich niemand hielt) und Nahaufnahmen seien nicht erlaubt.

Gellende Rückkopplung

Na ja, was soll’s?! Um die 500 Gläubige aller Altersstufen waren da, Stühle mussten neben die Kirchenbänke gestellt werden, ein paar sehr kurz geratene Jedi-Ritter liefen mit Plastik-Laserschwertern durch das Kirchenschiff, lieferten sich zwei, drei Showkämpfe, und seltsame, erwachsene Trackies, oder wie die heißen, präsentierten ihre aufwändigen Kostumierungen den Kameras. Bei der Psalmlesung, in der Predigt der beiden Vikare und beim Schlusssegen fielen die christlich kompatiblen Keywords, also: „Und sein Mitgefühl wirkt an allen Enden des Universums“ oder „So möge die Macht Gottes mit Euch sein“. Dass die „Star Wars“-Einspielungen auf einer Leinwand während der Predigt erst nach fünf Minuten und einer gellenden Rückkopplung richtig liefen – geschenkt.

Richtig stimmig waren eigentlich nur die für die Orgel adaptierten „Star Wars“-Melodien, ein paar wunderschöne Weltraumbilder am Ende des Gottesdienstes und die herzerwärmenden Kirchenlieder wie „Tochter Zion“. Aber da kann man ja auch nichts falsch machen. Von Hollywood ist zu lernen, dass es eben nicht reicht, nur etwas gut zu wollen – George Lucas, übernehmen Sie! Philipp Gessler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen