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„Ich bin auch ein starker Ideologe“

Biohersteller Paul Söbbeke gibt nach 27 Jahren die Geschäftsführung seiner Öko-Molkerei aus dem Münsterland ab. Wie öko bleibt das Unternehmen, wenn der Biopionier weg ist?

Überlässt das Lebenswerk einem Konzern: P. Söbbeke Foto: Molkerei Söbbeke

taz: Herr Söbbeke, Ihr Nachfolger, Nicolò Polla, kommt nicht aus der Biobranche. Wird das Söbbeke verändern?

Paul Söbbeke: Polla hat sehr viel Erfahrung in der Unternehmensleitung bei Mittelständlern. Was er sicherlich erst noch lernen musste, ist: Wie tickt eigentlich der Naturkostmarkt? Aber die Liebe zu Bio haben wir schon initiiert – das geht ziemlich schnell, wenn man sich damit beschäftigt. Bio ist der Kern von Söbbeke. Aber es gab ja schon Veränderungen in diese Richtung: 2013 übernahm der Käsemulti Bongrain, heute Savencia, die Mehrheit bei Söbbeke.

Was haben Sie sich damals von diesem Schritt erhofft?

Meine oberste Priorität war: Söbbeke muss gut und authentisch weiterlaufen. In meiner Familie ist da niemand, der die Geschäfte führen will. Also habe ich nach jemandem gesucht, der es in meinem Sinne weiterführt, und vor etwa acht Jahren die Familie Bongrain kennengelernt. Für mich war wichtig, dass es eine Molkereifamilie ist, die weiß, wie das Geschäft tickt.

Eine Ihrer vier Töchter ist Molkereimeisterin, arbeitet aber in einer Schaukäserei in Münster. Eine Entscheidung gegen den Großkonzern Savencia?

Nein, das, was meine Tochter macht, ist einfach etwas ganz anderes: Die will selber handwerklich tätig sein. Sie möchte nicht in einem schweren Markt die Verantwortung für 150 Bauernfamilien und 180 Mitarbeiter übernehmen, sondern Käse machen und das Kindern und Erwachsenen zeigen.

Das Bundeskartellamt hat Savencia verdonnert, Anteile der Biomolkerei Andechser zu verkaufen. Die Wettbewerbshüter sagen, sie haben den Zusammenschluss nur genehmigt, weil Savencia falsche Angaben gemacht hatte. Wie kann man so einem Unternehmen vertrauen?

Das geht nur Savencia etwas an, nicht Söbbeke. Was die Zahlen angeht, hat das Kartellamt eine eigene Interpretation, und Savencia wird ebenso eine haben. Mir ist wichtig, wie ich selbst mit Savencia zurechtkomme – und wir sind uns einig.

Auf Ihrer Homepage beschreiben Sie die Geschichte von Söbbeke, von Savencia steht dort kein Wort. Man könnte meinen, Sie würden das lieber verbergen.

Dort geht es nicht um Eigentümerstrukturen, sondern darum, wie wir unseren Joghurt machen. Das scheint mir das Wichtigste zu sein für den Verbraucher: dass transparent ist, wie das Produkt gemacht wird. Außerdem können Sie in jeder Zeitung nachlesen, wie unsere Eigentümerstrukturen sind – es gibt kaum Firmen, die das so offen kommuniziert haben wie wir.

Nachdem Savencia 2013 Mehrheitseigner wurde, hatten Sie gesagt, Sie wollten noch mindestens fünf Jahre Geschäftsführer bleiben. Warum gehen Sie nun doch früher?

Weil es so gut läuft. Ich bleibe noch im Beirat von Söbbeke. Und ich habe viele Pläne: Ich will mich für Ökolandbau einsetzen, um Biobodengenossenschaften kümmern und um Entwicklungen im Käsebereich, aber eben nicht mehr erwerbswirtschaftlich. Ich bin schon auch ein starker Ideologe – und ich bin beseelt von Käse.

Viele Unternehmer aus der Gründergeneration der Bio­branche gehen derzeit in Rente. Wie verändert sich die Branche dadurch?

Paul Söbbeke

Der 62-Jährige hat die Biomolkerei Söbbeke 1988 gegründet, die seit 2003 keine konventionelle Milch mehr verarbeitet. Schon seine Eltern und Großeltern waren im Molkereigeschäft tätig.

Ich will keinen Zukunftspessimismus verbreiten. Wenn ich sehe, was für Unternehmen da entstehen, die sich mit veganen, vegetarischen, mit handwerklich gemachten Lebensmitteln beschäftigen, mache ich mir keine Sorgen, dass es nicht weitergeht.

Bei welchem Produkt wären Sie denn richtig sauer, wenn Ihr Nachfolger es aus dem Programm nimmt?

Ich kann nicht auf Demeter-Joghurt verzichten. Das ist etwas, wofür ich gekämpft habe: Fruchtjoghurt ohne zugesetzte Aromen. Meine Lieblingssorte ist ehrlich gesagt Erdbeer, das ist die komplizierteste Sorte.

Eva Oer

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