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ZEITENWENDE Ab 1. Januar hat die taz eine neue Druckerei. Der legendäre Kleinbetrieb „Henke Pressedruck“ in Berlin-Hohenschönhausen, mit dem die taz seit 1989 zusammenarbeitet, schließt zum Jahresende. Ende einer Ära und ein gravierendes Problem für die tazVon der Rolle

Zwei von zwanzig KollegInnen bei Henke Pressedruck, die mit der Schließung der Druckerei ihre Arbeit verlieren Foto: Wolfgang Borrs

von Nina Apin

Ab Januar hat die taz eine neue Druckerei. Das klingt erst einmal unspektakulär, markiert tatsächlich aber eine Zeitenwende. Mehr als 25 Jahre lang wurde die Berlin-Ausgabe der taz, die in fast ganz Ostdeutschland erscheint, bei Henke Pressedruck in Berlin-Hohenschönhausen gedruckt. Henke, zunächst noch im Kollektiv arbeitender Betrieb des Autodidakten Rolf Henke, und die der publizistischen Gegenkultur verpflichtete taz: Ein Dreamteam der linksalternativen Szene war das. Zuletzt aber gehörte die taz zu Henkes letzten Kunden. Das Stadtmagazin Zitty, das Rostocker Tageblatt, das Anzeigenblatt Zweite Hand – alle weg. Im Zuge der Digitalisierung brechen die Auflagen gedruckter Publikationen – auch die der taz – stark ein. Die Folge: Kleine und mittlere Druckereibetriebe gehen reihenweise ein, während wenige Großbetriebe die verbliebenen Druckaufträge unter sich aufteilen.

Für Henke in Hohenschönhausen lohnt sich das Drucken nicht mehr: Zum Jahresende schließt der Betrieb, für den zuletzt noch 20 Mitarbeiter tätig waren. Am 30. 12. 2015 läuft die letzte taz vom Band. Dann gehört die tapfere „Geoman“, dieses 17 Meter hohe und 36 Meter lange Maschinenungetüm mit seinen begehbaren Etagen, Rollenträgern und Falzwerken, das seit 1989 tazzen am laufenden Band ausspuckt, endgültig zum alten Eisen.

Götterdämmerung?

Zukünftig kommt die gedruckte taz für Berlin und Ostdeutschland aus Wittenburg bei Schwerin, denn mit Henke Pressedruck Berlin stellt (nach Caro Druck Frankfurt am Main 2012) am 30. Dezember 2015 bereits die zweite langjährige taz-Druckerei den Betrieb ein. Eine Folge der sinkenden Druckauflagen, die in der gesamten Branche zu verkraften sind. Im stark schrumpfenden Markt trifft es vor allem Druckereien, die zu klein sind, um notwendige Investitionen in eine ungewisse Zukunft zu leisten.

Seit 2010 ist die gedruckte taz-Auflage – ganz im Branchentrend – von 78.038 (Q III/2010) auf 60.911 Exemplare (–22%) täglich gesunken. Dank ePaper und taz.de lässt sich der taz Journalismus längst auf digitale Weise genießen. (abu)

Für den Unternehmer Rolf Henke geht das Leben trotzdem weiter: Seine zweite Druckerei in Köln, die vor allem Magazine druckt, floriert. Und privat hat sich Henke längst neuen Visionen zugewandt: Er betreibt einen Biohof in der Uckermark und hat dort einen Bodenfonds für ökologische Landwirtschaft gegründet. Zeitungsdruck – offensichtlich kein Markt der Zukunft.

Und die taz? Spontane Überlegungen, die Druckmaschine zu kaufen und in den Keller des neuen taz-Hauses zu stellen, hatten nur eine kurze Halbwertszeit. Nicht nur weil der Platz im neuen Domizil bereits restlos verplant ist. Sondern auch, weil man sich bereits zu taz-Gründerzeiten dagegen entschieden hatte, sich den Besitz eigener Produktionsmittel aufzuhalsen. So will man es auch künftig halten. Die taz suchte also nach einer neuen Druckerei in Berlin, die das kleine taz-Format produzieren kann. Doch überraschenderweise gibt es in Berlin keinen Betrieb mehr, dessen Maschinen das Berliner Format können. Berlin, die Stadt, in der ihr ureigenes Zeitungsformat nicht mehr gedruckt wird. Was also tun?

Für Henke in Hohenschönhausen lohnt sich das Drucken nicht mehr

Auf größerem Format drucken und die Ränder abschneiden? Nein, das wäre ökologischer und auch produktionstechnischer Wahnsinn. Die ganze Zeitung neu konzipieren, mit neuem Format? Zu viel Aufwand und zu groß die Gefahr, dass dabei LeserInnen dauerhaft verprellt werden. Die Verbindung zwischen Zeitung und LeserInnen hat eine spezielle haptische Komponente, die nicht unterschätzt werden darf.

Nun wird gut zwei Autobahnstunden von Berlin entfernt gedruckt, in Wittenburg bei Schwerin. Für die Arbeit der Redaktion, besonders für die Kollegen im Berlinressort, bedeutet dieser Wechsel einen gravierenden Einschnitt. Denn der Redaktionsschluss verschiebt sich durch die neue Fernbeziehung nach vorne. Wir werden also alle ein wenig umdenken müssen, unsere Arbeit anders organisieren. Aber für Meinung, Analyse, Hintergrund wird auch im neuen Jahr genug Zeit sein. Versprochen!

Nina Apin war Redakteurin der taz Berlin und ist ab Januar neue Leiterin im Meinungsressort der taz.

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