piwik no script img

Gegen den Gottseibeiuns

Konzert Black Heino im Urban Spree mit Energieriegelrock

In der deutschen Kulturgeschichte nimmt der Sänger Heino durchaus einen besonderen Platz ein. Eine seltsame Kippfigur: mit dem Blondschopf, der im Gesicht festgefrorenen schwarzen Sonnenbrille und dem linkischen Habitus selbst schon eigentlich eine Karikatur im Popgeschäft. Und andererseits halt auch so beklemmend real in ihrer zwanghaften deutschen Gemütlichkeit. Man muss nur mal Heinos feldwebelhaften Befehl „Sing!“ in seinen Liedern hören. Gruselig.

Jedenfalls hat es der Sänger geschafft, in gewissen Kreisen als regelrechter Gottseibeiuns herhalten zu müssen. Dem man dann halt irgendwie mit einem Abwehrzauber beikommen muss.

Dass man sich dabei besonders in Kreuzberg an Heino als Watschenmann abarbeitet, muss nun nicht wirklich verwundern, hält man doch im Bezirk seit alters her einiges auf seine Widerspenstigkeit. Die Pio­nierarbeit aus einem Punkverständnis heraus leistete Norbert Hähnel alias Der wahre Heino, der lässig darauf pocht, sowieso „das Original“ zu sein, und sich vor gar nicht so langer Zeit wieder mit einer Single mit Slime- und Ton-Steine-Scherben-Klassikern in markanten Heino-Versionen bemerkbar machte.

Das Prinzip Negation

Kreuzberg ist auch die Heimatadresse von Black Heino, einem Trio nicht mehr ganz jugendlicher Musiker, die statt auf Affirmation wie Der wahre Heino mehr auf die Negation setzen. Auf der Homepage der Band ist es auch zu sehen mit einem alten Heino-Bild – das Gesicht des Sängers zu einer Hasskappenfratze verkritzelt.

Und in den Liedern von Black Heino hört man, manchmal fast im dringlichen Fehlfarben-Tonfall, von deutschen Autobahnen, von Abschiebehaft und von Eigenheimen als fahles Glücksversprechen. Ein höhnisches „Flur und Wälder“ verknüpft sich in dem Song „Kenn’ ein Land“ mit „Führerbunker“.

Dass sie „weder Grau- noch Braunzone“ seien, ist der Band schon so wichtig, dass es auch auf der Homepage mitgeteilt sein muss. Und: „Black Heino macht keine Hipster-Kacke.“

Was nun nicht heißen muss, dass diese neue H-Hassfigur (Hipster-Heino wäre eine super Steigerung) der Musik von Black Heino nichts abgewinnen könnte, so wie sie ihren lärmend disziplinierten Garagenrock in der Donnerstagnacht beim Konzert in einem Kellerloch in Wohnzimmergröße im Urban Spree stemmten. Ein Energieriegelrock. Kann man auch Punk dazu sagen, in den Black Heino noch, ohne weiter abzuschweifen, kleine Gitarrensoloskizzen klemmten. Alles halt so krawallig und schrabbelig und durchaus monoton, wie es in diesem Geschäft auch sein soll.

Monoton. Nicht stumpfsinnig. Eigentlich. Wobei es dann im Lauf dieses Kellerkonzertes, wenn die Energie nur mal ein wenig nachließ, doch auch mal stumpf klang. Nur immer gegen die Wand rennen kann durchaus ermüden.

Vielleicht hätte so ein ironisches „Sing!“ zwischendurch geholfen, die Laune auzufrischen. Thomas Mauch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen