: Kein Prozess gegen AGG-Hopper
Justiz Scheinbewerbungen auf diskriminierende Anzeigen kein Betrug
Das AGG schützt vor Diskriminierungen im Arbeitsleben und im privaten Geschäftsverkehr. Verboten sind unter anderem Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Ethnie, des Glaubens und des Alters. Gibt es Hinweise auf eine Diskriminierung, muss das Unternehmen beweisen, dass es nicht diskriminiert hat. Wer als Arbeitgeber zum Beispiel in der Stellenanzeige nach „Berufsanfängern“ sucht, muss im Streitfall darlegen, dass er einen 50-jährigen Bewerber nicht wegen seines Alters abgelehnt hat. Als Schadenersatz können bis zu drei Monatsgehälter verlangt werden.
Der Münchener Rechtsanwalt Nils Kratzer nutzt das Gesetz regelmäßig, indem er sich auf vermeintlich diskriminierende Stellenanzeigen bewirbt und Schadenersatz fordert, wenn er nicht eingestellt wird. Auch für einen Angehörigen hat er schon geklagt.
Im Frühjahr hat ihn deshalb die Staatsanwaltschaft München wegen gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt. Er täusche nur vor, dass er die ausgeschriebenen Stellen ernsthaft anstrebe. In 25 Fällen sei es ihm so gelungen, insgesamt 80.000 Euro Entschädigung zu erhalten. In 91 weiteren Fällen habe er erfolglos zusammen 1,7 Millionen Euro eingefordert.
Kratzer argumentiert, dass das AGG auch präventive Wirkung haben solle. Wenn niemand diskriminierende Stellenanzeigen für Klagen nutze, werde weiter diskriminiert.
Ende November lehnte das Landgericht München I die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Kratzer ab. Auch bei nicht ernst gemeinten Bewerbungen könnten Ansprüche nach dem AGG entstehen. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen Beschwerde eingelegt. Nun muss das Oberlandesgericht München entscheiden. Demnächst beschäftigt Kratzer auch den Europäischen Gerichtshof. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Fall die Frage vorgelegt, ob nur ernsthafte Bewerber Schadenersatz nach dem AGG einklagen können. Christian Rath
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