: Alles noch ausbaufähig
Asyl Die Unterkunft in der Haarlemer Straße wird nun doch nicht abgerissen. Indes stockt der Umbau der Tempelhof-Hangars – und Spandau verweigert seine Turnhallen
von Anna Klöpper
Verzögerungen bei der Herrichtung weiterer Tempelhof-Hangars für Flüchtlinge, grünes Licht hingegen für eine neue Massen-Gemeinschaftsunterkunft in Neukölln. Bei den „Großbaustellen“ bei der Flüchtlingsunterbringung bewegt sich also was, und es wird gebremst. In der Haarlemer Straße in Neukölln ist das Thema Abriss nun zumindest vorläufig vom Tisch – nun wird sogar ausgebaut. Bis zu 1.200 Flüchtlinge sollen künftig dort untergebracht werden. Das teilte die Verwaltung von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Montagabend mit. Ende 2016 soll alles bezugsfertig sein.
Mit den Ausbauplänen würde sich die Kapazität an der Haarlemer Straße verdreifachen: Derzeit sind etwa 400 Menschen dort untergebracht. Laut Senatsverwaltung sind deshalb neben „höherwertig gedämmten Wohneinheiten“ auch Gruppen- und Freizeiträume und Platz für eine Kinderbetreuung vorgesehen. Und: Auch im neuen Jahr sei die Unterkunft für die Flüchtlinge gesichert, heißt es.
Das ist bemerkenswert, hat es doch zuvor ordentlich Krach gegeben um die Nutzung des Geländes, auf dem das Heim steht. Der Heimbetreiber Pewobe hatte dort 2014 für 8 Millionen Euro die Unterkunft errichtet. Dann verkaufte der bisherige Besitzer, ein Berliner Unternehmer, das Gelände jedoch an eine luxemburgische Firma – und nicht, wie der Senat offenbar spekuliert hatte, an die Pewobe. 8 Millionen Euro für eine Flüchtlingsunterkunft, die vielleicht nur ein Jahr in Betrieb gewesen wäre – das wäre eine recht teure Rechnung gewesen.
Sozialsenator Czaja äußerte sich am Montag denn auch „froh“ über die „grundsätzliche Einigung zwischen dem Bezirk, dem Eigentümer des Grundstücks und der Berliner Unterbringungsleitstelle“. Derzeit kommen pro Tag bis zu 500 Flüchtlinge in Berlin an, insgesamt über 70.000 Flüchtlinge waren es bisher in diesem Jahr. Zum Vergleich: 2014 waren es etwa 12.000 Menschen, die in der Stadt Zuflucht suchten.
Zeitplan infrage gestellt
Streit bei den Ehrenamtlichen von Moabit hilft e. V.:Am Wochenende hatte sich eine neue Gruppe aus ehemaligen Moabit-hilft-MitstreiterInnen gegründet. „Die Basis“ wirft dem Koordinierungsstab von Moabit hilft vor, sich inzwischen so mit den am Lageso tätigen Sicherheitsfirmen sowie dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) überworfen zu haben, dass eine vernünftige Organisation der Arbeit nicht mehr möglich sei. Zudem würde Moabit hilft Spendenmittel nicht mehr ausgeben, etwa für Nahrungsmittel und Kleidung für die am Lageso wartenden Geflüchteten. Moabit-hilft-Vorstand Diana Henniges wies die Vorwürfe am Dienstag auf taz-Anfrage zurück. Es gebe ein tägliches, konstruktives Planungstreffen „mit allen Akteuren“, Spenden würden selbstverständlich weitergegeben.
Herbert Grönemeyer heißt der Finanzier von zwei der drei Wärmebusse,die täglich vor dem Lageso warten. Eine Sprecherin des Sängers bestätigte entsprechende Medienberichte. Angesichts der „harten Fakten“ vor dem Lageso und der beginnenden Kälte habe man sich entschlossen, etwas zu tun. Bisher war unbekannt, wer die Busse bezahlte. (akl)
Weniger geschmeidig voran geht es hingegen in Tempelhof. Dort sollten bis Weihnachten eigentlich drei weitere Hangars auf dem ehemaligen Flughafengelände als Notunterkunft hergerichtet werden. Doch ob die Frist zu halten ist, sei „unklar“, vermeldete eine Nachrichtenagentur. Warum man derzeit dem Zeitplan hinterherhinke, mochte die Senatsverwaltung am Dienstag auf Nachfrage nicht erklären.
Bisher leben in Tempelhof bereits 2.000 Flüchtlinge in drei Hangars – unter fragwürdigen Bedingungen: kaum Waschmöglichkeiten, lediglich Dixie-Toiletten, das Essen sei schlecht, klagen die Bewohner (taz berichtete). Bis zu 5.000 Flüchtlinge will der Senat in sechs ehemaligen Wartungshallen für Flugzeuge unterbringen. Der Geschäftsführer der Betreiberfirma Tamaja, Michael Elias, forderte den Senat bereits auf, einen schnelleren Wechsel in die Gemeinschaftsunterkünfte zu organisieren. Es sei nicht akzeptabel, dass viele Menschen derzeit länger als sechs Wochen in den Hangars verbringen müssen.
Umzug wegen Messe
Ein weiteres Provisorium will der Senat indes am Freitag nach der Begehung durch die Bauaufsicht freigeben. Rund 1.000 Flüchtlinge müssen aus der Halle 26 der Berliner Messe raus, weil dort demnächst die Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ stattfinden soll. Rund 500 von ihnen sollen nun im Saal 2 des Internationalen Congress Centrum (ICC) am Kaiserdamm ein Ausweichquartier finden. Die übrigen würden auf andere Notunterkünfte verteilt, hieß es aus der Sozialverwaltung. Mediziner der Charité hatten kritisiert, das ICC sei selbst für eine Notunterkunft ungeeignet, da es in dem Saal noch nicht einmal Tageslicht gebe.
Gegenwind bläst dem Sozialsenator auch aus Richtung Spandau entgegen: Dort kündigte der SPD-Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank an, künftig keine Sporthallen mehr als Notunterkünfte zur Verfügung zu stellen. Zuvor hatte die Sozialverwaltung die Bezirke angewiesen, jeweils vier Turnhallen zu melden, die das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) als Unterkunft nutzen kann. Kleebank kündigte an, gestern Abend auf der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einen Beschluss fassen zu wollen, dass man sich dieser Anweisung Czajas widersetze.
Bereits vergangenen Freitag hatte die Spandauer CDU-Fraktion einen Aufruf des Schulstadtrats Gerhard Hanke (CDU) unterstützt: Man wolle Flüchtlinge und Bürger nicht gegeneinander ausspielen und die Hallen für den Schul- und Vereinssport sichern.
Der herausgeforderte Czaja indes mag die Widerspenstigen nicht so recht zähmen. Im Gegenteil: Man wolle den Unwillen der Spandauer in Zukunft bei der Verteilung der Flüchtlinge „berücksichtigen“, so eine Sprecherin.
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