: Versprechen und Ressentiments
Regierung Bei der Finanzierung der geplanten Wohltaten verweist die neue polnische Regierungspartei auf Deutschland
Doch eigentlich ist alles ganz anders. Polen liegt keineswegs in Ruinen. Das Land gilt als Wunderkind unter den EU-Beitrittsländern von 2004. Die Wachstumsraten sind geradezu traumhaft, die Einkommen steigen, und dank der Zuschüsse aus Brüssel liegt Polen heute fast gleichauf mit vielen alten EU-Staaten. Während Merkel den Deutschen Mut machte, Asylsuchende aufzunehmen, jagten Beata Szydło und Jaroslaw Kaczyński, der Chef der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), den Polen Angst vor angeblich kranken und terroristischen Flüchtlingen ein. Mit „Wir schaffen das“ war gemeint, das es gelingen werde, die von der alten Regierung zugesagte Flüchtlingsaufnahme zu verhindern.
So ist es in vielen Bereichen. Vor den Parlamentswahlen am 25. Oktober 2015 hatte die rechtsnationale Partei für Recht und Gerechtigkeit noch ihren Verfassungsentwurf für eine „IV. Republik“ von ihrer Website genommen, weil der angeblich „nicht aktuell“ sei.
Kaum aber regiert die Partei mit absoluter Mehrheit das Land, ist nichts aktueller als ebenjene Verfassungsänderung. Dazu muss als Erstes das Verfassungsgericht auf Linie gebracht werden. Geködert hatte die PiS ihre Wähler mit sozialen Versprechungen: rund 120 Euro monatlich ab dem zweiten Kind, Absenkung des Rentenalters auf 60 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer, Erhöhung des Steuerfreibetrages, kostenlose Medikamente für über 75-Jährige.
Nicht erklären will die Partei bislang, wie diese sozialen Wohltaten zu finanzieren seien. Allerdings gab Parteichef Kaczyński in den letzten Tagen einen Hinweis: Ausländer sollen zahlen und insbesondere Deutsche, verriet er.
Polen habe noch eine gewaltige Rechnung mit Deutschland offen, so Kaczyński: „Die Rechnung wurde in den 70 Jahren, die seit dem Krieg vergangen sind, niemals beglichen und ist im rechtlichen Sinne noch immer aktuell“, erklärte er. „Denn unser Verzicht auf die Reparationen wurde niemals von der UN registriert. Der Weg ist offen, und in Deutschland sollte man sich daran erinnern.“
Gabriele Lesser
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