: Zeit für ein wenig Selbstkritik
Olympia II Nach der Hamburger Ablehnung ist die Katerstimmung unter den Sportfunktionären groß. Es fehlt an Visionen
Eine tief depressive Stimmung machte sich nach dem Hamburger Votum unter deutschen Sportlern, Funktionären und Politikern breit. Für die kommende Generation sei die Chance vergeben, den nationalen Spitzensport zu beflügeln, erklärte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, nach dem Ergebnis des Olympia-2024-Referendums in Hamburg.
Der einstige Handballstar Stefan Kretzschmar twitterte: „Das Tor zur olympischen (Sport-)Welt für immer geschlossen“. Auch Dagmar Freitag, Sportausschussvorsitzende des Bundestages, blickte düster in die Zukunft: „Meine große Sorge ist, dass wir in Deutschland über viele Jahre nicht mehr über eine Bewerbung reden werden.“
Derlei Prognosen waren bereits vor zwei Jahren im Umlauf, als die Münchner sich mehrheitlich gegen eine Bewerbung für die Winterspiele 2022 aussprachen. Damals machte DOSB-Funktionär Michael Vesper eine „zunehmende Skepsis in Deutschland gegenüber Großereignissen“ aus. Dennoch unterstützte der Dachverband nur ein Jahr später schon wieder die Olympiapläne von Hamburg und dem damaligen Konkurrenten Berlin.
Die Katerstimmung ist dennoch verständlich. Eine Hamburger Mehrheit für Olympia hätte dem deutschen Sport in den nächsten Jahren mehr Steuergelder eingebracht, um bis 2024 eine wettbewerbsfähige Mannschaft aufzubauen. Nun muss ein neuer Sparkurs eingeläutet werden. Harte Verteilungskämpfe stehen bevor. Das Streben nach staatlichen Subventionen allerdings wird auch in Zukunft dazu führen, dass Deutschland sich weiter zeitnah um Olympische Spiele bewerben wird.
Auf dem Prüfstand steht die bisher so wenig erfolgreiche Sportpolitik der Funktionäre. Hörmann machte bereits auf die Notwendigkeit einer selbstkritischen Analyse aufmerksam: „Jeder von uns hat allen Grund, darüber nachzudenken, was habe ich dazu beigetragen – bin ich Teil der Lösung oder Teil des Problems?“
Für die DOSB-Mitgliederversammlung kommendes Wochenende in Hannover kündigte er bereits eine Debatte an, was man künftig verändern müsse. Hörmann konnte eine gewisse Ratlosigkeit nicht verhehlen: „Es wird sehr, sehr schwierig, eine Idee zu entwickeln, weil offensichtlich der olympische Gedanke und Deutschland im Moment nicht zusammenpassen.“
Johannes Kopp
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