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Von nichts kommt nichts

Regeln In der Schweiz und in Deutschland ist die Debatte über ein Vollgeldsystem entflammt – auch der Umwelt wegen. Die Frage lautet: Wer darf Geld schöpfen?

Von Bernward Janzing

Was für ein Irrtum: Wer von seiner Bank einen Kredit bekommt, glaubt meistens, das Geld komme von anderen Bankkunden, die dieses auf ihrem Konto liegen haben. Oder es komme zumindest von der Zentralbank. Das alles klingt zwar plausibel, stimmt aber nur zu einem Bruchteil. Den größten Anteil ihrer Kredite gewähren Banken, indem sie dem Kunden das Geld einfach auf dem Girokonto gutschreiben. So schöpfen sie per Knopfdruck neues Geld.

Doch dieses Konstrukt, mit dem Geschäftsbanken die Geldmenge fast beliebig steigern können, gerät in die Kritik – eine Diskussion über ein sogenanntes Vollgeldsystem flammt auf. In einem solchen darf allein die Zentralbank Geld schöpfen, während die Geschäftsbanken zu reinen Finanzintermediären werden, also allein zu Mittlern zwischen Kapitalangebot und -nachfrage, sowie zu Zahlungsabwicklern.

Spannend wird diese reichlich theoretische Betrachtung, wenn man die Auswirkungen der Geldschöpfung analysiert. Eine Vollgeldreform, sagt Joseph Huber, Wirtschaftssoziologe an der Universität Halle-Wittenberg, sei „ein Beitrag zu mehr sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit“. Denn indem man den Banken die Möglichkeit zur Geldschöpfung nehme, seien spekulative Blasen nicht mehr so leicht zu finanzieren.

Nun sind die reinen Finanzblasen aus ökologischer Sicht weniger problematisch. Spätestens aber, wenn daraus auch realwirtschaftliche Blasen entstehen, die mit Ressourcenverbrauch einhergehen, bekommt das Thema eine ökologische Komponente. Ein typisches Beispiel ist die Immobilienblase, die vor einigen Jahren in Spanien platzte. Sie hinterließ Bauruinen in der Landschaft und hat dadurch viel Natur zerstört.

Und so argumentieren die Befürworter des Vollgeldes auch ökologisch. Ein wichtiger Aspekt ist dabei stets die Frage, in welchem Maße ein Geldsystem einen Wachstumszwang generiert. Vor allem im Bankenland Schweiz wird die Debatte intensiv geführt: Mark Joób vom Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen sagt, das Vollgeldprinzip mache „ein ökologisch nachhaltiges Geldsystem möglich, das keinen Wachstumsdruck auf die Realwirtschaft ausübt.“

Ähnlich sieht es Raffael Wüth­rich von der schweizerischen „Vollgeld-Initiative“, die per Volksentscheid das neue Finanzsystem bei den Eidgenossen etablieren will: „Unser heutiges Geldsystem wird instabil, wenn die Wirtschaft nicht wächst, ein Vollgeldsystem hingegen kann mit Nullwachstum besser umgehen.“

Hintergrund der Debatte ist auch die Erkenntnis, dass in zunehmend gesättigten Volkswirtschaften Wachstum immer schwerer zu erzielen ist. Damit steigt der Druck, ein Finanzsystem zu entwickeln, das bei Stagnation robuster ist als das heutige. Eines, das, wie die Systemtheorie sagt, resilienter ist.

Auch in Deutschland gibt es seit 2012 einen Verein, der sich für das Vollgeld einsetzt: den Monetative e. V. Neben dem Ziel, das Finanzsystem zu stabilisieren, ist auch hier der ökologische Aspekt Teil der Argumentation: Für die Nachhaltigkeit des Wirtschaftssystems spiele auch die Art des Geldsystems eine Rolle, sagt der Vorsitzende Klaus Karwat.

In der deutschen Bankenwelt beschäftigt sich vor allem die ökologisch-sozial orientierte GLS Bank mit dem Thema. „Wir lassen gerade im Rahmen einer Studie prüfen, inwiefern bei uns im Unternehmen Geldschöpfung stattfindet“, sagt Falk ­Zientz vom Vorstandsstab. Die Analyse sei kurz vor dem Abschluss und werde wohl bestätigen, dass das Bochumer Institut „selbst kein Geld schöpft“. „Wie viele Genossenschaftsbanken und Sparkassen haben wir mehr Einlagen als Kredite, daher finanzieren wir alle Kredite aus Einlagen. Das ist sinnvolles Banking.“ Die meisten Geschäfts- und Investmentbanken hingegen schöpften Giralgeld und erzeugten damit die enorme Überliquidität, die immer wieder zu Finanzkrisen führe.

Im Moment aber blicken alle in die Schweiz. Dort hat die „Vollgeld-Initiative“ bereits 130.000 Unterschriften gesammelt. Das ist genug, um eine Volksabstimmung zu lancieren. Am 1. Dezember wird die Liste eingereicht und dann wird es – übliches Prozedere – noch einige Jahre dauern, bis das Referendum stattfindet.

Bis dahin dürfte auch die Wirtschaftswissenschaft ein gutes Stück weiter sein: „Langsam kommt Bewegung in die universitäre Forschung zur Geldtheorie“, sagt GLS-Mann Zientz, „dort war das Thema Geldschöpfung lange Zeit nämlich ein blinder Fleck.“

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