: An die Börse geschlichen
WIRTSCHAFTDer Reederei Hapag-Lloyd geht es eigentlich gut, auch, weil die Stadt Hamburg Anteile hält. Den Börsianern war das gestern allerdings egal
Hamburg stockte seinen Anteil an Hapag-Lloyd 2012 auf 36,9 Prozent auf –auf Pump. Kaufpreis und Zinsen summieren sich laut Finanzbehörde bis heute auf rund 1,3 Milliarden Euro netto.
Die erhofften Dividenden blieben aus. Nach dem Börsenkurs ist Hamburgs Anteil weniger als 350 Millionen Euro wert.
„Zweifelhaft“, nennt es Lorenz Palte, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler in Hamburg, dass die Stadt ihre Anteile irgendwann wieder veräußern könnte, „ohne Verluste im dreistelligen Millionenbereich hinnehmen zu müssen“. hape
Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd AG ist trotz Schifffahrtskrise wirtschaftlich erfolgreich. Vorstandschef Rolf Habben freut sich über einen „starken operativen Gewinn“, über einen Anstieg bei Transportmenge und Umsatz im dritten Quartal. Börsianer ließen diese Erfolgsmeldungen am Donnerstag allerdings kalt: Die Aktie fiel zeitweilig unter den Ausgabekurs.
Nach zwei vergeblichen Anläufen musste Hapag-Lloyd in diesem Herbst seine Pläne mehrfach zurechtstutzen. So wurde das Volumen schon vorab von 500 auf 300 Millionen Dollar gesenkt. Dann fanden die Aktien zu einem Preis von 29 bis 23 Euro je Aktie zu wenige Abnehmer und wurden letztlich für 20 Euro abgegeben. Um dennoch die runtergesetzte Zielmarke von umgerechnet 280 Millionen Euro zu erreichen, wurde die Zahl der ausgegebenen Aktien erhöht. Was den Wert der Anteile der Alteigentümer, darunter Hamburg, verwässert.
Der schleichende Börsengang ist auch für den früheren Hapag-Eigentümer TUI ärgerlich. Der Reisekonzern aus Hannover, der sich schon seit Jahren auf sein Kerngeschäft konzentrieren und den Logistikkonzern losschlagen möchte, konnte weit weniger Aktien verkaufen als erhofft. TUI sitzt noch auf einem Aktienpaket von 10,6 Prozent.
Nach der Abwendung des Verkaufs durch TUI im Jahr 2012 und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Integration des Containergeschäfts der chilenischen Reederei CSAV 2014 sei die Börsennotierung „der dritte Schritt der Hapag-Lloyd-Strategie des Senats“, sagte Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) nach dem Börsengang. Die Stadt könne in Zukunft von der Möglichkeit profitieren, Aktien zu verkaufen, ohne „die Stabilität“ von Hapag-Lloyd zu gefährden.
2012 wollte der Senat von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verhindern, dass der Traditionskonzern an der Binnenalster in fremde Hände geriet. Nach dem Abschied der Versicherungswirtschaft und dem Umzug des Springer-Konzerns nach Berlin unterhält Hapag-Lloyd eine der wenigen Konzernzentralen in Hamburg. Für 40 Prozent des Containerumschlags ist laut Firmenangaben direkt und indirekt Hapag verantwortlich. 20.000 Jobs in der Region hingen von der Reederei ab, allein 5.500 davon im Hafen.
In der aktuellen Fragestunde in der Hamburgischen Bürgerschaft am Mittwoch wurden wirtschaftsliberale Ökonomen ins Feld geführt, die den Staat für den schlechteren Unternehmer halten. Dagegen befürwortet Heinz Bontrup, Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, „grundsätzlich, aber nicht generell“ regionale Industriepolitik. Die positiven Effekte lägen in Beschäftigung, Steuereinnahmen und in zusätzlicher Geschäftstätigkeit etwa bei Zulieferern in der Region, sagte Bontrup. Dies zahle sich auch für das Staatssäckel aus. HAPE
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