: New Black Cinema
WIEDERENTDECKUNG Filmemacher von der University of California widmeten sich in den 70ern dem Alltag der Afroamerikaner
![](https://taz.de/private/picture/5247828/516/165904.jpg)
von FABIAN TIETKE
2007 präsentierte das Internationale Forum des Jungen Films eine filmische Sensation: Charles Burnetts „Killer of Sheep“, gedreht als Abschlussfilm an der University of California in Los Angeles (UCLA) 1977. Bei der Wiederentdeckung wurde Burnetts Film über das entfremdete Leben eines Schlachthofarbeiters und dessen familiäres und soziales Umfeld in Los Angeles zu Recht als ein Meilenstein des US-Kinos der 1970er Jahre gefeiert.
Im Dunkeln blieb dabei, dass Burnetts Film in den Kontext einer Gruppe schwarzer Filmemacher gehört, die über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren an der UCLA Film studierte und ein neues schwarzes Kino in den USA schuf – die sogenannte L.A. Rebellion. Ebendieser widmet sich nun das Arsenal mit der Filmreihe „L.A. Rebellion: Creating a New Black Cinema“. Die Reihe ist der erste Teil des Projektes eines Kino-Atlas, in dem die Kuratoren Lukas Foerster und Hannes Brühwiler Gruppenkonstellationen in der Filmgeschichte nachspüren.
Als Charles Burnett, Haile Gerima, Jamaa Fanaka Ende der 1960er Jahre kurz nach den Aufständen im Stadtteil Watts im August 1965 und inmitten der Proteste gegen den Vietnam-krieg ihr Filmstudium an der UCLA aufnahmen, entstand ein Produktionszusammenhang, der schnell große öffentliche Wahrnehmung fand. Gerade für die L.A. Rebellion-Filme der ersten Jahre war Los Angeles nicht nur Produktionsort: Sie zeigten den Alltag schwarzer Bewohner der Stadt in bis dahin ungekannten radikalen Bildern.
Charles Burnetts Kurzfilm „Several Friends“ von 1969 beginnt etwa mit dem Bild eines schwarzen G.I.s, der auf einem staubigen Weg, an dessen Rand sich Zäune aus Brettern reihen, schwankend einem kleinen Mädchen in einem weißen Kleid gegenübersteht. Unkoordiniert in seinen Taschen kramend torkelt er über den Weg. Burnett umkreist in „Several Friends“ den Alltag einer Gruppe von Freunden in L.A., zeigt deren Alltag zwischen endlosem Abhängen und dem Versuch, die endlosen Provisorien des Lebens zusammenzuhalten.
Haile Gerimas „Bush Mama“ von 1975 zeichnet das erwachende politische Bewusstsein einer schwarzen Mutter im L.A. der 1970er Jahre nach. „Bush Mama“ seziert die gleichgültige Verwaltung der Armut, die Übergriffe der berüchtigten Polizei von Los Angeles und wirft einen erbarmungslosen Blick auf die Armut im Los Angeles der 1970er Jahre. Der Film endet mit einem Monolog der Selbstermächtigung, sich diese staatliche Gewalt nicht länger bieten zu lassen.
In ähnlicher Weise kombiniert Jamaa Fanaka in seinem zweiten Langfilm, „Emma Mae“, semidokumentarische Elemente vom Leben auf den Straßen Los Angeles und fiktionale Elemente zur Geschichte einer jungen Frau, die von Mississippi in die kalifornische Metropole zieht. Die schüchterne Frau, der man die ländliche Herkunft den gesamten Film hindurch ansehen kann, erweist sich als äußerst wehrhaft. Ob gegenüber aufdringlichen Männern oder rassistischen weißen Hausbesitzern, Emma Mae lässt sich nichts bieten. Wie Fanakas erster Langfilm wurde auch „Emma Mae“ (unter dem Alternativtitel „Black Sister’s Revenge“) als Teil der Blaxploitationwelle vermarktet. Aber auch wenn Fanaka in der Geschichte Elemente von Kick-ass-Frauen aus Filmen wie „Foxy Brown“ oder „Coffy“ aufgreift, Erzählweise, Ästhetik und Frauenbild seiner Filme unterscheiden sich doch grundlegend von dem der Blaxploitationfilme.
Julie Dash gehörte zu den ersten weiblichen Protagonistinnen der L.A. Rebellion. Ihr Abschlussfilm „Daughters of the Dust“ erzählt in surreal-märchenhaften Bildern vom Wegzug einer schwarzen Familie von einer Insel vor der Südwestküste der USA zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Der Film bildet die Brücke zum schwarzen Kino der 1990er Jahre, verbunden mit Namen wie Cheryl Dunye. Im Rahmen der Filmreihe läuft Dashs halbstündiger Kurzfilm „Illusions“ von 1982, eine Abrechnung mit den Rassismen der US-Filmindustrie. Die Filme der L.A. Rebellion sind nicht einfach eine Entdeckung, sie lassen einen das US-Kino der folgenden Jahrzehnte mit anderen Augen sehen. Die Rebellion zielte mitten hinein in das Zentrum der Filmproduktion in den USA.
L.A. Rebellion: Creating a New Black Cinema, Arsenal, 17.–30. November 2015
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