Ohne die Brücke geht gar nichts

Kroatien Die neue Partei Most wird bei den Wahlen drittstärkste Kraft. Sowohl die Nationalkonservativen als auch die Sozialliberalen brauchen sie als Mehrheitsbeschaffer

Der HDZ-Chef Tomislav Karamarko feiert in Zagreb seinen Wahlsieg. Die Suche nach einem Koalitionspartner wird schwierig Foto: Antonio Bat/dpa

Aus Splitt Erich Rathfelder

Schon bei den ersten Hochrechnungen für die Parlamentswahlen in Kroatien war am Sonntagabend die Überraschung perfekt. Zwar wurde die Parteienkoalition unter Führung der nationalkonservativen HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) stärkste Kraft (59 Sitze), doch ihr Vorsprung vor der sozialliberalen Parteienkoalition (56 Sitze) beträgt nur 3 Sitze. Da die bisher die Regierung unterstützende Istrische Regionalpartei auf drei Sitze kam, ist sogar ein Patt eingetreten. Die Wahlbeteiligung lag bei 60,8 Prozent.

Eindeutiger Wahlgewinner und Zünglein an der Waage bei der Regierungsbildung ist die neue liberaldemokratische Zentrumspartei „Most“ (Brücke) mit 19 Sitzen. Im neuen Parlament (Sabor) mit 151 Abgeordneten – einschließlich der von vornherein feststehenden Minderheitenvertreter – ist die absolute Mehrheit von 76 Abgeordneten nur mit der drittplatzierten Partei zu erreichen. Ohne Beteiligung von Most kann keine neue Regierung gebildet werden. „Beide großen Blöcke müssen auf die Brücke steigen, mal sehen, wer herunterfällt“, spöttelte ein Wahlbeobachter im staatlichen Fernsehen HRT1.

So gab es nach anfänglicher Freude lange Gesichter bei den Wahlsiegern. Der von der katholischen Kirche unterstützte Spitzenkandidat der HDZ, Tomislav Karamarko, der den Wahlkampf mit nationalistischen Parolen bestritt und die regierende sozialliberale Koalition unter dem Sozialdemokraten Premier Zoran Milanovićals „kommunistisch“ diffamierte, kann kaum auf eine Koalition mit Most hoffen. Der ungelenke Karamarko, ein ehemaliger Geheimdienstchef, machte zwar noch am Wahlabend Most Avancen, ist in dem Lager der neuen Reformpartei aber wenig beliebt.

Der neue Star der kroatischen Politik heißt Božo Petrov. Der 36-jährige Psychiater war bei den Gemeindewahlen in der nahe der südlichen Grenze zu Bosnien und Herzegowina liegenden Stadt Metković2013 mit über 60 Prozent der Stimmen zum Bürgermeister gewählt worden. Die zusammen mit anderen jungen Reformern gegründete neue Partei „Brücke – unabhängige Liste“ wurde auf Anhieb stärkste Partei in der Region. Seither hat sich die Partei im gesamten Land ausgebreitet.

„Wir sind keine Regional-, sondern eine Reformpartei“, erklärte Božo Petrov im Wahlkampf. Die Resultate bestätigen ihn: In der Hauptstadt Zagreb erreichte die Partei auf Anhieb 18 Prozent. Noch am Wahlabend erklärte Božo Petrov, sein Programm würde vielen Leuten Schmerzen bereiten, ohne Einschnitte in das System könne Kroatien nicht vorankommen.

In der Hauptstadt Zagreb erreichte die Partei Most auf ­Anhieb 18 Prozent

Beide Parteiblöcke sieht Petrov als reformunwillig und abhängig von ihrer Klientel. Seine Partei werde eine Regierung nur unterstützen, wenn sie Reformen im Justizsystem und der öffentlichen Verwaltung vorantreibe. So sollen die Bedingungen für Unternehmen verbessert und soll das monitäre System verändert werden. Die Kuna müsse abgewertet werden, um kroatische Waren konkurrenzfähig zu machen. Der Staat solle dezentralisiert werden.

Die Zusammensetzung der Partei deutet an, dass sie wohl eher mit dem sozialliberalen Lager zusammengehen könnte. So hat sich der Formation unter anderen auch der frühere Staatspräsident und den Sozialdemokraten nahestehende Ivo Josipovićangeschlossen. Petrov schloss jedoch eine Koalition auch mit diesem Lager aus, da die bisherige Regierungskoaliton in Bezug auf Reformen nur leere Versprechungen abgegeben habe. Er stellte jedoch die Duldung einer Minderheitenregierung in Aussicht.

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