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Über sieben Zäune musst du gehn

STARSCHNITT IV Es ist noch nicht lange her, da rissen wir Grenzzäune und Mauern voller Euphorie nieder und feierten die Einheit, die daraus erwuchs. Heute ist der Zaun, der trennt und draußen hält, wieder schwer im Kommen. Wir würdigen seine neue Popularität in fünf Teilen – und mit einem Aufruf zur prophylaktischen Bastelarbeit

von Helmut Höge

Im Fernsehen zeigen sie, wie immer mehr Staaten die Flüchtlinge mit Natodrahtrollen vom Grenzübertritt abzuhalten versuchen: einer Va­rian­te des Stacheldrahts“, wie Wikipedia schreibt. Sie kommt aus den USA, in Deutschland heißt dieser gemeingefährliche Schnellzaun offiziell „Widerhakensperrdraht“. In Amerika gibt es ein Stacheldrahtmuseum, unter anderem wird darin gezeigt, wie die Farmer bei Gefahr über den Draht miteinander kommunizierten.

Ähnlich wie das Bauernlegen in England zog dann in Nordamerika das Einsetzen der Zaunpfähle und Einzäunen von Weidegebieten mit Stacheldraht (der 1873 in den USA erfunden wurde) den Tod fast aller indianischen Völker nach sich. Noch US-Präsident Theodor Roosevelt bezeichnete ihre Ausrottung als einen „gerechten Krieg“: „Dieser großartige Kontinent konnte nicht einfach als Jagdgebiet für elende Wilde erhalten werden.“ Seitdem gibt es viele Country- und Westernlieder über den „Devil’s Rope“, wie die Cowboys, die dadurch ebenfalls ihre Existenz verloren, den Stacheldraht nannten; das letzte Lied darüber stammt von Kate Mann aus Oregon 2007.

Inzwischen fragen sich die Politologen, ob der postmoderne Staat noch auf ein Territorium angewiesen ist, das es mit Klauen und Zähnen zu verteidigen gilt. Zumal sich die „Failed States“ mehren – und ihre Bevölkerungen einfach weitermachen – so tun, als wäre nichts geschehen. Wir müssen das ganze Staatskonzept mitsamt all seinen Einzäunungen noch einmal überdenken. Zumal man sich bald jede Staatsangehörigkeit kaufen kann. Und sowieso jede „Hörigkeit“ aufhören muss.

Fortsetzung folgt morgen

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