: Ein Spiel dauert nichtimmer nur 90 Minuten
Bürgerdialog In Nürnberg lief es gut für Angela Merkel. Wenigstens die ersten eineinhalb Stunden
Ins Kernland der CSU, der Schwesterpartei, die von Merkel mit Nachdruck eine härtere Linie in der Flüchtlingspolitik verlangt. Und trotzdem: Gegenwind bekommt die Kanzlerin nicht. Zumindest nicht in den ersten eineinhalb Stunden.
Im Gegenteil. Da wäre zum Beispiel der Rentner aus der ersten Reihe: „Ihre Haltung in der Flüchtlingsfrage finde ich nur gut“, sagt er. Oder, zwei Reihen hinter ihm, die Unternehmerin, die in fünfter Generation einen Familienbetrieb führt: „Wir sind bereit, Flüchtlinge in unseren Betrieb zu integrieren“, sagt sie. Oder der Herr hinten rechts: „Wir haben so viele Mängelberufe, da ist die Zuwanderung doch eine Chance“, sagt er.
Leichtes Spiel für Merkel also. Die Kanzlerin zählt ihr Programm auf (schnellere Integrationskurse, mehr Unterkünfte bauen, dafür die Wirtschaftsflüchtlinge schneller abschieben), die Gäste nicken.
Dann sind die ersten eineinhalb Stunden aber vorbei, und plötzlich kommt doch noch Gegenwind. Eine Angestellte aus Nürnberg bekommt das Mikrofon und erzählt eine Geschichte, die seit Wochen auch auf rechten Internetseiten kursiert: Sie habe gehört, Supermärkte hätten die Order, klauende Asylbewerber nicht anzuzeigen. Die Schäden ersetze ihnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Nun könnte Merkel natürlich anführen, dass Supermarktketten diese Behauptung regelmäßig dementieren. Dass das BAMF für Schäden aus Ladendiebstählen überhaupt kein Budget hat. Dass die Gerüchte offensichtlich ziemlicher Quatsch sind. Stattdessen sagt sie nach eineinhalb Stunden nur einen seltsamen Satz: „Ich weiß nicht, ob das Gerüchte sind oder nicht.“ TOS
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