Linkspartei kürt Stellvertreter

Bundestag Heike Hänsel war 2014 Protagonistin der Anti-Gysi-Toilettenaffäre. Etliche Abgeordnete forderten damals ihren Rücktritt. Nun ist sie Vizechefin der Fraktion

Heike Hänsel im Bundestag Foto: Thomas Trutschel/photothek

aus Berlin Tobias Schulze

Was für ein Karrieresprung: Noch im November 2014 riefen Bundestagsabgeordnete der Linkspartei ihre Kollegin Heike Hänsel in einem offenen Brief dazu auf, die Fraktion zu verlassen. Die 49-Jährige vom linken Parteiflügel blieb aber – und rückt keine zwölf Monate später in der Hierarchie nach oben. Am Dienstag wählte die Fraktion sie mit 69,5 Prozent der Stimmen zur Stellvertreterin von Sahra Wagenknecht.

Kein Traumergebnis, aber trotzdem ein Erfolg – für Hänsel wie für Wagenknecht. Die Abstimmung hätte der Fraktionschefin nach vier Wochen im Amt nämlich auch die erste Niederlage einbringen können.

Die Postenvergabe ist bei den Linken nun mal kompliziert. Zwar hat die Fraktion ihren Mitgliedern eine Menge Führungspositionen zu bieten. Auf 64 Abgeordnete kamen schon bisher sieben Vizechefs. Wagenknecht und ihrem Kovorsitzenden ­Dietmar Bartsch reichte das aber nicht aus. Sie kündigten daher an, den Vorstand zu vergrößern.

Zusätzlich zu den sieben Vizes, die von den Arbeitskreisen der Fraktion vorgeschlagen werden, wünschten sie sich zwei persönliche Stellvertreter.

Für den ersten Posten schlug Bartsch seinen Vertrauten Jan Korte vor, einen Innenpolitiker aus dem Reformerlager. Für den zweiten Posten nominierte Wagenknecht die Abgeordnete Sevim Dağdelen, Außenpolitikerin vom linken Flügel.

Der Plan passte aber nicht allen Abgeordneten. Diejenigen, die sich keinem der beiden Parteiflügel zuordnen lassen, beklagten sich am lautesten: Sie störte es, dass Parteirechte und Parteilinke noch mehr Einfluss gewinnen sollten. Reformer und Teile des linken Flügels rebellierten zudem gegen die Kandidatin Dağdelen. Die Duisburgerin gilt nicht gerade als diplomatisch, teilt gegen Gegner innerhalb und außerhalb der Partei gern aus.

Kurz: Wäre Wagenknechts Wunschkandidatin tatsächlich angetreten, wäre sie wohl gescheitert. Nach zahlreichen Gesprächen verzichtete sie daher auf die Kandidatur.

Die Postenvergabe ist bei den Linken nun malkompliziert

Als Ersatz schlug Wagenknecht daraufhin Heike Hänsel vor, entwicklungspolitische Sprecherin, ebenfalls vom linken Parteiflügel – und Protagonistin der sogenannten Toi­lettenaffäre. Vor einem Jahr hatte sie an einer Veranstaltung zweier israelkritischer Aktivisten im Bundestag teilgenommen. Sie war auch anwesend, als die Aktivisten hinterher den damaligen Fraktionschef Gregor Gysi durch die Gänge bis auf die Toilette hetzten.

Nach der Aktion veröffentlichten elf Abgeordnete der Fraktion den offenen Brief, in dem sie Hänsels Rückzug forderten. Sie schrieben, Hänsel und drei andere Beteiligte müssten „Konsequenzen ziehen“.

Am Ende zog aber bekanntlich niemand Konsequenzen, und bei der Fraktionswahl erhielt Hänsel nun sogar eine Mehrheit. Etliche Abgeordnete akzeptierten die Kandidatin quasi als kleineres Übel. Damit wird sie künftig im Vorstand an der Seite von Jan Korte (mit 64,4 Prozent gewählt) arbeiten – der den offenen Brief gegen sie einst mit unterschrieben hatte.