: Linke zweifelt an Beschlagnahmungen
WOHNRAUM Die Linksfraktion hält die Änderung des Polizeirechts zur Beschlagnahmung von Immobilien für einen "zahnlosen Tiger": Weder werde hier neues Recht geschaffen noch zusätzlicher Wohnraum
Die Linksfraktion kritisiert die Vorgehensweise Bremens zur Beschlagnahmung von Wohnraum für Flüchtlinge. Die gerade in Kraft getretene Änderung des Polizeirechtes sei ein „zahnloser Tiger“, sagt Claudia Bernhard, baupolitische Sprecherin der Linken – und überdies überflüssig, weil die Beschlagnahmung von Immobilien ohnehin bereits erlaubt sei.
In der Tat: Das Ordnungs- und Polizeirecht der Bundesländer besagt, die Behörden müssen eingreifen, wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr ist – zum Beispiel dadurch, dass viele Menschen obdachlos sind. Darauf hat Berlin sich berufen, als es jüngst mehrere leerstehende Immobilien beschlagnahmt hat. Auch Kiel hat das getan, als es Flüchtlinge in ein ehemaliges Kaufhaus einquartierte.
Aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linksfraktion heißt es: „Durch die Änderung wird die Möglichkeit geschaffen, geeignete ungenutzte Immobilien oder Flächen ab einer Größe von 300 qm zur Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen, auch wenn sich der Eigentümer einer Nutzung verweigert.“ Das ging im Rahmen des sogenannten „Obdachlosenpolizeirechts (OPR) freilich vorher auch: „Im Fall der Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten kann die Behörde Räumlichkeiten gegen den Willen des Eigentümers sicherstellen“ , heißt es in der gleichen Senatsantwort
Eine Mindestquadratmeterzahl für diese Räumlichkeiten ist im OPR nicht vorgegeben, „aber jetzt wird plötzlich eingeschränkt“, sagt Bernhard. „Das heißt, dass es bei der Änderung nur um eine Ad-hoc-Lösung geht, also um Notunterkünfte.“
Dabei stünden viele Spekulationsobjekte leer, die weit weniger als 300 Quadratmeter hätten. „Aber die bleiben nun gänzlich unberührt.“ Innerhalb der Behörden werde momentan sogar kolportiert, dass ohnehin nur nach Räumen ab 3.000 Quadratmetern gesucht werde, „also nach leerstehenden Baumärkten oder ähnlichem – für alles andere ist der Aufwand angeblich zu groß.“
Die alte Rechtslage, heißt es in der Senatsantwort, hätte nur „einen einzelfallbezogenen Charakter und war idealtypisch darauf ausgerichtet, eine einzelne Wohnung für einen einzelnen Obdachlosen sicherzustellen. (...) Die Verhinderung der Obdachlosigkeit für eine Zahl von mehreren Hundert Flüchtlingen kann nach Ansicht des Senats jedoch nicht allein unter Rückgriff auf die allgemeinen gefahrenrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten gelöst werden.“
Könne es doch, sagt Bernhard, bestes Beispiel dafür seien ja Berlin oder Kiel. Sie bezweifelt, dass es durch die Gesetzesänderung überhaupt zu Zwangsanmietungen kommen wird, denn auch dort gilt die Voraussetzung: Erst einmal müssen alle anderen Unterkünfte ausgelastet sein.
Eine davon ist gerade erst neu hinzugekommen: Das Bayernzelt vom Freimarkt soll an der Bürgerweide ab- und in der Neustadt wieder aufgebaut werden, darauf hat sich der Senat am gestrigen Dienstag geeinigt. Bis zum kommenden Februar sollen dort 200 Flüchtlinge unterkommen. „Und wo die Menschen danach und auf Dauer leben sollen, ist noch immer nirgends geregelt“, sagt Bernhard. Simone Schnase
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