Sommermärchen Der DFB-Präsident kommt nicht aus den Schlagzeilen. Sein Vorgänger Theo Zwanziger lässt prüfen, ob sich jemand bei der WM-Vergabe strafbar gemacht hat: „Wie ich das sehe, lügt Niersbach“
von Martin Krauss
Wer sich die Welt nur mit dem erklären mag, was der Deutsche Fußball-Bund auf seiner Website verlautbart, der konnte sich am gestrigen Freitagmittag auf ein geruhsames Wochenende vorbereiten: Wer am Dienstag beim Topspiel im DFB-Pokal als Schiedsrichter benannt wurde, war genauso zu lesen wie das Porträt eines Stürmers der 3. Liga und dass es noch Tickets für das Frauenländerspiel gegen die Türkei in Sandhausen gibt.
Nicht mal die Gala zur Eröffnung des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund am Freitagabend war dfb.de eine Meldung wert, was vielleicht daran liegt, dass dort Wolfgang Niersbach auftrat. Der hatte sich vorab auf einer Präsidiumssitzung der Kritik seiner Funktionärskollegen stellen müssen. Vor allem die gleichermaßen schlechte wie schlichte Informationspolitik wird ihm angelastet: etwa dass der DFB, einen Tag bevor in der vergangenen Woche der Spiegel mit seinen Enthüllungen herauskam, in einer Pressemitteilung behauptet hatte, er selbst habe sich doch „in den vergangenen Monaten intern“ um Aufklärung bemüht.
Zu vernehmen war nach der Sitzung eine Erklärung des DFB-Vizepräsidenten Reinhard Rauball, der zugleich dem Ligaverband vorsteht: „Es ist für den gesamten deutschen Fußball unerlässlich, dass die ganze Wahrheit ans Licht kommt, auch wenn sie zu schmerzhaften Erkenntnissen führen sollte.“ Das wurde zwar in einer DFB-Pressemitteilung als Rückenstärkung für Niersbach dargestellt, aber auf dfb.de tauchte das auch nicht auf.
Vielleicht waren Niersbach und seine bizarren Medienauftritte dem Onlinedienst seines Verbandes auch deswegen keine Notiz wert, weil man in der Frankfurter Zentrale so sicher nicht sein kann, wie lange Niersbach noch präsidiert. Die Buchmacher von betsafe.com rechneten nämlich Niersbachs Chance, im Amt zu bleiben, nicht gerade optimistisch aus: Wer darauf setzt, dass Niersbach bis zum Jahresende zurücktritt, kriegt faktisch gerade mal den Wetteinsatz raus, 1,30 beträgt die Quote. Auch, wenn Niersbach innerhalb der nächsten Woche abtreten muss, wird dies für Wetter keinen großen Gewinn bedeuten: Die Quote beträgt 2,00.
Und beim Spiegel kam der DFB nicht mal mit dem schwachen Instrument der Gegendarstellung durch. Er wollte nach Informationen des Onlinedienstes Meedia durch seinen Medienanwalt Christian Schertz Darstellungen des Nachrichtenmagazins in gleich vier Fällen dementieren lassen, die alle den Vorwurf des Stimmenkaufs für die WM betrafen. Der Spiegel-Verlag lehnte eine Veröffentlichung jedoch ab.
Vielmehr legt der Spiegel nach: In seiner heute erscheinenden Ausgabe erklärt Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger: „So wie ich das sehe, lügt Niersbach.“ Es sei, so Zwanziger, „eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab.“ Davon wisse Niersbach „nicht erst seit ein paar Wochen“, wie dieser noch in seiner verunglückten Pressekonferenz am Donnerstag behauptet hatte, „sondern schon seit mindestens 2005“. Nach Spiegel-Informationen hat Zwanziger ein anwaltliches Gutachten erstellen lassen, ob sich Niersbach strafbar gemacht hat, als er im Jahr 2005 sein Kürzel unter die umstrittene 6,7-Millionen-Euro-Überweisung setzte. Ob Niersbach das wirklich abgezeichnet hat, ist bislang unklar.
In dem Dossier von Zwanzigers Anwalt soll es auch um die Rolle von Franz Beckenbauer gehen. Es heißt dort, Beckenbauer habe dem früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus einen Schuldschein „auf sich persönlich ausgestellt“. Dieses Papier habe Beckenbauer „in seiner Tätigkeit im Rahmen der Bewerbung für die WM 2006“ unterzeichnet.
Genau das hatte Niersbach auf seiner Pressekonferenz eindeutig bestritten: Der ganze Vorgang der Louis-Dreyfus-Millionen habe definitiv nichts mit der Bewerbung Deutschlands um die WM zu tun gehabt, sondern sei später erfolgt.
Zwanziger berichtet im Spiegel des Weiteren, er habe mit dem ehemaligen Vizepräsidenten des Organisationskomitees, Horst R. Schmidt, telefoniert, der ihm gesagt habe, die ominösen Louis-Dreyfus-Millionen seien an Mohamed Bin Hammam gegangen. Der Unternehmer aus Katar wollte 2011 für das Amt des Fifa-Präsidenten kandidieren, wurde aber wenige Monate später wegen des Verdachts, er habe Stimmen gekauft, lebenslang gesperrt.
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