piwik no script img

„Die Kinder sind total verrotzt“

Flüchtlinge Kinder leiden beim Kälteeinbruch in den Zelten

Andrea Hackbarth-Rouvel

52, ist Verwaltungsangestellte, unterstützt Flüchtlinge im Jenfelder Moorpark und ist Mitglied der Hamburger Linken.

taz: Frau Hackbarth-Rouvel, jetzt wird es nachts richtig kalt. Wie geht es den Flüchtlingen da in den Zelten?

Andrea Hackbarth-Rouvel: Sie frieren. Das ist wirklich eine einzige Katastrophe. Seit gut fünf Tagen gibt es in den Zelten im Jen­felder Moorpark zwar Heizungen, aber die Menschen schlafen auf engstem Raum in Etagenbetten. Die Radiatoren geben die warme Luft nur nach oben ab. Das bedeutet, dass die, die unten liegen, keine Wärme abbekommen. Am schlimmsten ist das für die etwa 170 Kinder, die hier mit ihren Eltern leben.

Wie wirkt sich die Situation auf die Kinder aus?

Sie sind alle total verrotzt, haben Erkältungen, Bronchitis. Sie gehören nicht in Zelte, sondern zusammen mit ihren Müttern in feste Unterkünfte.

Wo sollte die Stadt denn Frauen und Kinder separat unterbringen, wenn kaum genügend Plätze für alle Flüchtlinge da sind?

Es gibt viel Leerstand in der Stadt, auch Wohnungsleerstand. Das zeigt der Leerstandsmelder. In diese Richtung passiert aber nichts, weil es vom Senat nicht gewollt ist.

Aber der Senat hat doch gerade beschlossen, dass Gewerbeflächen vorübergehend beschlagnahmt werden können.

Das ist richtig, geht aber nicht weit genug. Es müsste auch leerstehender Wohnraum beschlagnahmt werden dürfen. Und über Gewerbeflächen wie die Baumärkte müssen wir nicht reden. Ich habe mir gerade den Baumarkt in Stellingen angesehen. Tausend Flüchtlinge wurden dort in einer Nacht und Nebel-Aktion untergebracht, ohne dass überhaupt Betten da waren. Duschen gibt es bis heute nicht. Die Flüchtlinge müssen Kilometer zu Fuß gehen, um in der Julius-Leber-Schule kalt zu duschen.

Warum dauert es so lange, bis die Stadt Duschen oder Heizungen bereitstellt?

In Jenfeld haben der Hamburger Senat und Fördern und Wohnen die Situation zu wenig ernst genommen. Damit, dass es im Oktober empfindlich kalt wird, war zu rechnen. Das Verhalten der Behörden grenzt fast schon an Körperverletzung.

Wie gehen die Flüchtlinge mit ihrer Situation in Jenfeld um?

Ich bekomme alle paar Tage Anrufe von Bewohnern, die sagen, dass sie nicht mehr können und dass sie lieber auf die Straße ziehen möchten, als in den Zelten zu bleiben.

INTEVERVIEW: Andrea Scharpen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen