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KARRIERE Andrea Nahles’ Staatssekretär Jörg Asmussen wechselt zur bundeseigenen Förderbank KfW. Die Karriere des Finanzmarktderegulierers der Agenda-SPD geht damit weiter

Bald wieder in Frankfurt: Jörg Asmussen Foto: taz

BERLIN taz | Mit familiären Gründen hatte Jörg Asmussen vor zwei Jahren seinen Wechsel ins Berliner Arbeitsministerium begründet: „Der Dienstsitz Frankfurt und die häufigen Dienstreisen sind mit dem Familienwohnsitz Berlin und insbesondere meinen beiden sehr jungen Kindern auf Dauer nicht zu vereinbaren“, sagte er. Asmussen wurde Staatssekretär unter Arbeitsministerin Andreas Nahles (SPD). Jetzt geht es für ihn wieder zurück nach Frankfurt, dem Familienwohnsitz Berlin zum Trotz. Asmussen soll laut einem Spiegel-Bericht zur bundeseigenen Förderbank KfW wechseln.

Damit geht auch die seltsame Liaison zwischen Nahles und Asmussen zu Ende – hier die Ministerin aus dem linken Partei­flügel, die Wunschprojekte der Traditions-SPD wie den Mindestlohn umsetzte, dort der Modernisierer Asmussen, dessen Stern in der Agenda-SPD zu strahlen begann.

Der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel machte Asmussen einst zum Ministerialdirektor, zuständig für Finanzmarktpolitik. Der junge Sozialdemokrat befürwortete die Deregulierung im Bankensektor. Wo Asmussen war, war der Zeitgeist: Der Koalitionsvertrag 2005 habe seine Handschrift getragen, bilanzierte der Spiegel. In jenem Koalitionsvertrag stand: „Produktinnovationen“ im Finanzsektor und „neue Vertriebswege müssen nachdrücklich unterstützt werden“. Dazu gehöre der „Ausbau des Verbriefungsmarktes“ und „die Überarbeitung der Regelungen für den Bereich Private Equity“. „Überflüssige Regulierungen“ seien abzubauen.

Nach der Bankenkrise 2007/2008 durfte Asmussen dann die Folgen seiner Politik auffangen. Dennoch wurde er von Peer Steinbrück (SPD) zum Staatssekretär befördert. 2012 ging er als Mitglied ins Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB), befürwortete dort die Austeritätspolitik im europäischen Süden.

Dass Asmussen auf den Posten verzichtete und ins Nahles-Ministerium ging, überraschte schon damals. Zufrieden kann er dort nicht gewesen sein. In der Berliner Republik, dem Hausblatt der SPD-Modernisierer, veröffentlichte er in diesem Jahr einen Beitrag, in dem er für weitere Reformen warb, unter anderem für einen EU-Binnenmarkt bei Dienstleistungen: „Ein erster Schritt könnte ein von Deutschland und Frankreich angeführter wirtschaftspolitischer Schengenraum sein“, schrieb er. Nahles dürfte das kaum gefallen haben.

Asmussen warb erst kürzlich für einen EU-Binnenmarkt bei Dienstleistungen

Der jetzige Wechsel zur KfW mutet auf den ersten Blick seltsam an. Auf den zweiten ist er nachvollziehbar: Die KfW war in der Bankenkrise dafür zuständig, die privaten Geldinstitute zu retten. Am Ende seiner Karriere dürfte Asmussen noch nicht stehen: Er wird als möglicher Nachfolger des KfW-Chefs Ulrich Schröder gehandelt, dessen Vertrag 2017 ausläuft. Zunächst wird Asmussen nur Generalbevollmächtigter. Sein Jahresgehalt soll eine halbe Million Euro betragen, dreimal so viel wie derzeit. MARTIN REEH

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