piwik no script img

Stifterin einer Schule

NACHRUF Zum Tod der großen Düsseldorfer Fotografin Hilla Becher

Hilla Becher Foto: dpa

So begann die sogenannte Düsseldorfer Schule tatsächlich: Die 1934 in Potsdam geborene Hilla Wobeser unterrichtete in ihrem Einführungskurs an der Kunstakademie den Studenten Bernd Becher. Das war 1958. Die ausgebildete Fotografin hatte sich in Düsseldorf eingeschrieben und das Angebot erhalten, an der Akademie ein Fotolabor einzurichten, um Kommilitonen mit der Fototechnik bekannt zu machen.

Hier begann also die gemeinsame Arbeit, die Bernd und Hilla Becher, als die sie nach ihrer Heirat 1961 firmierten, zu einem weltberühmten Markenzeichen machte. Es war die Kombination aus Vertrauen in die Fotografie und Wissen um deren dokumentarische Möglichkeiten sowie Bernd Bechers Sorge um die in ihrem Bestand gefährdeten Fachwerkhäuser seines heimatlichen Siegerlands, die zu einer Bilderserie führte, in der ­exakte Fototechnik und rigoroses ästhetisches Programm zusammenkamen.

Damit hatten die Tochter aus großbürgerlichem Haus und der Sohn eines Dekorationsmalers, der nach einem Studium der Grafik, Malerei und Typo­gra­fie zur Fotografie kam, Stil und Thema gefunden. Sie fotografierten die untergehende Schwer­industrie zunächst des Ruhrgebiets, dann des Saarlands und schließlich der übrigen Welt. Immer Schwarz-weiß, immer in standardisierten frontalen und perspektivischen Sichten, die dann in großen Ta­bleaus zusammengeführt wurden.

Aus der wenig beachteten, anonymen Architektur des Anfangs wurden mit dem immer deutlicher hervortretenden Stilwillen die viel beachteten anonymen Skulpturen des Becher’schen Œuvres. Ein Goldener Löwe der Biennale von Venedig krönte 1990 ihr Werk. Bernd und Hilla Becher hatten die Dokumentation in den Rang der Kunst erhoben. Und mit ­ihrer veränderten Wahrnehmung der Industriearchitektur hatten sie in vielen Fällen den gefährdeten Baudenkmalen tatsächlich geholfen, wobei sie zugleich die Emanzipation der Fotografie im Kunst- und Museumskontext beförderten.

Zu dieser Zeit sprach man dann auch schon von der Düsseldorfer Becherschule, mit Absolventen wie Thomas Ruff oder Candida Höfer. Ihr Professor war seit 1976 an der Akademie Bernd Becher. Die eigentliche Stifterin der Schule aber war Hilla Becher. Ihr Wunsch, „zu den wahren Quellen der Fotografie zurückzukehren“, wie sie einmal Le Monde sagte, gab der Fotografie einen ganz neuen Verlauf. Acht Jahre nach ihrem Mann ist Hilla Becher im Alter von 81 Jahren am Samstag in Düsseldorf gestorben.

Brigitte Werneburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen