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Im Labyrinth verwischter Spuren

RAUBKUNST Eine Tagung in Tutzing resümierte den Stand der Provenienzforschung und Kooperationen zwischen Wissenschaft und Kunsthandel

Denn „zu warten, bis alle gestorben sind, ist keine ­Lösung“

Christian Fuhrmeister

Einen „kleinen Rundgang durch die Werkstatt der Provenienzforschung“ versprach Meike Hopp vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München den Teilnehmern einer Tagung über „Raubkunst – Kunstwerke im langen Schatten der Vergangenheit“ in der Evangelischen Akademie Tutzing. Sie verwies gleich auf die „immensen Versäumnisse“ in den letzten Jahrzehnten, um sich dann ihrem Hauptanliegen, der Präzisierung „der damit verbundenen Begrifflichkeiten“ zu widmen. So handele es sich bei dem populären Begriff Raubkunst, um „NS-verfolgungsbedingt entzoge­nes Kulturgut“, denn die Entrechtung, Enteignung, Verfolgung sei im Dritten Reich durch Verordnungen und Gesetze unter dem Deckmantel scheinbarer Legitimität geregelt gewesen.

Fluchtkunst wiederum beschreibt „die Kulturgüter, die aus dem innerdeutschen Reich oder nach der geglückten Flucht im Ausland verkauft wurden, um einen Lebensunterhalt im Exil bestreiten oder die weitere Flucht, etwa in die USA, finanzieren zu können“. Obwohl damals durchaus auch marktrealistische Preise erzielt worden seien, stehe die Forschung hierzulande auf dem Standpunkt, dass diese Verkäufe eine unmittelbare Konsequenz der Verfolgung seien und mit der gleichen Sorgfalt auf eine eventuelle Restitution hin untersucht werden müssen. Zur Entarteten Kunst zählen hingegen, so Hopp, ausschließlich die mehr als 20.000 Werke von 1.400 Künstlern, die von einer Kommission aus rund 100 Museen beschlagnahmt wurden. Per Gesetz gingen sie in Staatseigentum über und konnten „verwertet“ werden. Das heißt eingelagert oder zur Devisenbeschaffung ins Ausland weiterverkauft werden.

Was nun so auseinanderdividiert werden könnte, birgt enorme Tücken in Gestalt von Überlappungen: Eine umfangreichere Sammlung konnte sowohl in Teilen entzogen als auch in Teilen ins Ausland verbracht und dort zur Existenzsicherung verkauft worden seien. Ganz vertrackt wird es, wenn, wie Andrea Bambi (Leiterin der Provenienzforschung, Bayerische Staatsgemäldesammlungen) ausführte, aus Museumsbestand beschlagnahmte Bilder deutscher Expressionisten 1939 beim Propagandaministerium von dem Ehepaar Fohn gegen die eigene Sammlung von Zeichnungen und Aquarellen des 18. und 19. Jahrhunderts eingetauscht, in den ­frühen 60er Jahren teils über den Kunsthandel verkauft, großenteils jedoch an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gingen beziehungsweise aus dem Nachlass an verschiedene Museen vererbt wurden.

Axel Drecoll, der die Dokumentation zum Obersalzberg leitet, wies darauf hin, dass die Washingtoner Prinzipien, denen zufolge sich 44 Staaten in einer gemeinsamen Erklärung verpflichteten, entzogenes Kulturgut zu suchen und die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte Lösung zu finden, derart vage formuliert seien, dass sie zu viel Raum für Interpretationen ließen, um schlüssig angewendet werden zu können. Daraufhin konstatierte Jutta Limbach, Leiterin der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, lakonisch korrekt: „Juristen leben von unbestimmten Rechtsbegriffen.“ Sie fügte hinzu, dass eine Differenzierung in der Betrachtung und Behandlung jedes Einzelfalls unabdinglich sei – und dabei keinesfalls perspektivabhängig.

Was noch vor den 90er Jahren durch mehr oder weniger zufällige Entdeckungen zutage trat, kann heute vielfach schon in den diversen Datenbanken in einer Rohfassung geklärt werden. Wie weit man dann dennoch von einer Lösung entfernt ist, kann jeder nachvollziehen, der sich einmal die Pfade eines verschlungenen Labyrinths von einem Provenienzexperten anhand eines Beispiels hat aufzeigen lassen. Es wird vielfach bei Indizien bleiben, deshalb vergleicht man sich in den meisten Restitutionsfällen, das heißt beim Verkauf oder einer Versteigerung teilen sich Verkäufer und einstiger Eigentümer respektive dessen Erben den Erlös.

Es bleibt jedoch dabei, trotz digitaler Vernetzung und steigender, auch internationaler Kooperationsbereitschaft steht die Forschung anhand der unbefriedigenden Quellenlage, wie Christian Fuhrmeister vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte abschließend feststellte, immer wieder vor schier unüberwindbaren Hürden, die sich nur durch die Bereitschaft, transdisziplinär zu arbeiten und Recht, Museen, Forschung, Verwaltung und Handel zusammenzubringen, verkleinern lassen. Und zwar umgehend. Denn „zu warten, bis alle gestorben sind, ist keine Lösung“. ANNegret Erhard

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