Ulrich Schulte über das Umfallen der Grünen beim Asyl: Mit leeren Händen
Die Grünen mühen sich nach Kräften, eine traurige Wahrheit zu verbergen. Sie haben für ihr Ja zu Merkels großem Asylkompromiss fast nichts bekommen. Sie stimmen einem viel schärferen Asylrecht zu, setzten aber dafür nur Kleinigkeiten durch. Jene blasen grüne Spitzenpolitiker gerade rhetorisch auf, um sich gegenüber ihrer Basis für den pragmatischen Gleichschritt mit der CDU-Kanzlerin zu rechtfertigen.
Als wichtigen Erfolg bezeichnen die Grünen zum Beispiel, dass Menschen aus Westbalkanstaaten in Deutschland künftig Arbeit suchen dürfen. Eben dies ist allerdings jetzt schon möglich. Hochqualifizierte können schon lange aus Nicht-EU-Staaten wie Albanien einreisen und bleiben, Krankenschwestern ebenso, weil in ihrem Beruf Mangel herrscht. Zugänge existieren also längst. Die geplante Neuerung zum „Einstieg in ein Einwanderungsgesetz“ hochzujazzen, wie es Grüne tun, dient vor allem der Selbstvergewisserung. Ähnlich deprimierend sieht es anderswo aus.
Die Gesundheitskarte für Asylbewerber hatte die Kanzlerin lange vor dem Kompromiss zugesagt, sie lässt sich nun wirklich nicht als Sieg verkaufen. Und die Milliarden für die Länder und Kommunen? Sie sind, Entschuldigung, eine Selbstverständlichkeit. Natürlich muss der Staat die vielen Flüchtlinge angemessen versorgen, und natürlich sind die Länder überfordert. Der Bund hätte in jedem Fall das Portemonnaie geöffnet, auch dann, wenn nur SPD- und Unions-Ministerpräsidenten mit am Tisch gesessen hätten. Beim Geld denken die Länder traditionell egoistisch.
Die Wahrheit lautet deshalb: Es war seltsam egal, dass der grüne Chefverhandler Winfried Kretschmann dabei war, obwohl er mit der Blockade im Bundesrat drohen konnte. Wenn man dieses devote Verhaltensmuster in eine schwarz-grüne Koalition ab 2017 projiziert, darf sich Merkel freuen. Die Grünen sind bereit, wichtige Inhalte geräuschlos zu planieren, wenn, ja, wenn sie nur dabei sein dürfen.
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