Transparente Klamotten

Mode Der Textilmarkt macht es Kunden nicht leicht, die wissen wollen, wo Kleidung herkommt und wie sie hergestellt wurde

Ein neuer Standard für fair gehandelte Textilien ist gerade in der Entwicklung

von Annika Hennebach

Auf der Berliner Fashion Week im Juli dieses Jahres platzte der Postbahnhof mit sozial und ökologisch korrekter Mode aus allen Nähten. Die Ausstellungsfläche war so groß wie noch nie. Die Ethical Fashion Show Berlin wiederum startete im Januar 2012 mit 36 Labels, diesen Sommer waren 126 dabei. Und laut TransFair e. V. Deutschland hat sich das Angebot von Textilien aus fair gehandelter Baumwolle 2014 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt und verzeichnet einen Absatzzuwachs von 120 Prozent.

„Das klingt erst mal nach viel, hängt aber mit einzelnen Aktionswaren beispielsweise bei Discountern zusammen. Da ist trotz solcher Zahlen immer noch viel Raum nach oben“, gibt Maren Sartory von TransFair zu bedenken. Der Verein vergibt das Fairtrade-Siegel. „Generell“, so Sartory, „ist aber das Bewusstsein der Konsumenten für das Thema deutlich gestiegen.“ Vor allem der Einsturz des Rana-Plaza in Bangladesch 2013 mit über tausend Toten habe die menschenunwürdige Textilproduktion in den Fokus gerückt.

„Es ist eben nicht egal, was man trägt“, sagt Anna Grasemann von der Kampagne für Saubere Kleidung. „Und die vielen, immer neuen Siegel zeigen, dass auch die Unternehmen den Trend nicht ignorieren.“ Die Koordinatorin für Deutschland des internationalen Netzwerks CCC (Clean Clothes Campaign), das sich für die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie einsetzt, nennt zur ersten Orientierung vier Siegel. Denn wo „fair“ draufsteht, steckt längst nicht immer fair drin.

Das bekannte Fairtrade-Siegel legt den Schwerpunkt auf die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Baumwollbauernfamilien. Ökologische Aspekte bei der Produktion spielen eine Rolle, Bio wird jedoch nicht vorausgesetzt. Dementsprechend waren auch nur 26 Prozent der Fairtrade-Textilien im Jahre 2014 als „Bio“ zertifiziert, obwohl es dafür Zuschläge gibt. Bisher lässt das Siegel lediglich Aussagen über die Baumwollproduktion zu. Ein neuer Fairtrade-­Textilstandard ist aber gerade in der Entwicklung. „Damit soll die komplette Produktionskette und nicht nur die Baumwolle abgedeckt werden“, sagt Maren Sartory von TransFair. „Im Frühjahr 2016 wird er angewendet werden können.“ Bereits jetzt finden Konsumenten auf der Internetseite von Fairtrade über einen Code auf dem Etikett Hintergrundinformationen zu ihrem Kleidungsstück.

Die Siegel GOTS (Global Organic Textile Standard) oder IVN Zertifiziert Best (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft) berücksichtigen vorwiegend ökologische Aspekte. Bei BEST müssen die Fasern zu 100 Prozent aus kontrolliert biologischem Anbau stammen, bei GOTS je nach Abstufung zu mindestens 70 oder 95 Prozent. Beide Siegel werden jedoch nur vergeben, wenn auch bestimmte soziale Mindestanforderungen eingehalten werden, die sich mit mehr oder weniger strengen Auflagen an der UN-Arbeitsorganisation ILO (International Labour Organisation) orientieren.

Neben den vier ILO-Kernarbeitsnormen Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Zwangsarbeit, Abschaffung der Kinderarbeit und Verbot der Diskriminierung am Arbeitsplatz sind das Normen für existenzsichernde Löhne, angemessene Arbeitszeiten, ein sicheres und gesundheitsverträgliches Arbeitsumfeld und ein rechtsverbindliches Arbeitsverhältnis. Ihre Durchsetzung hat auch die Fair Wear Foundation zum Ziel, deren Siegel Anna Grasemann von CCC ebenfalls nennt. Die in den Niederlanden gegründete internationale Organisation unterstützt Textilunternehmen dabei, langfristig Sozialstandards in den Herstellerfirmen einzuführen. Oft ist es noch ein weiter Weg.

Als einen ersten Schritt sieht Anna Grasemann das Textilbündnis an, das von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im Oktober 2014 ins Leben gerufen und dessen Steuerungskreis am 12. August 2015 konstituiert wurde. Unter den 143 Mitgliedern des Bündnisses für nachhaltige Textilien sind die Kampagne für Saubere Kleidung und andere NGOs, die Bundesregierung und Unternehmen wie Otto, H&M oder Aldi. „Das Ziel sind jedoch zusätzlich gesetzliche Regulierungen“, sagt die CCC-Koordinatorin.

Als Verbraucher hat man schon jetzt die Wahl. Ob High Fashion oder Streetwear – bei dem großen Angebot an fairer Mode ist für jeden etwas dabei. Seiten wie www.gruenemode.org oder www.fairtradekleidung.org helfen bei der Suche. Und nach einer Studie der Fair Wear Foundation würde der finanzielle Unterschied exemplarisch bei einem T-Shirt für 29 Euro nur 1 bis 5 Prozent mehr ausmachen, damit etwa die Näherin in Bangladesch von ihrer Arbeit leben kann. Ein Euro, der sich lohnt.

Weitere Informationen zu den einzelnen Kampagnen und Siegeln:www.saubere-kleidung.dewww.fairtrade-deutschland.dewww.global-standard.org/dewww.naturtextil.de/verbraucher/qualitaetszeichen/best.htmlwww.fairwear.orgwww.textilbuendnis.com/index.php/de