piwik no script img

Das Ende des Großstadtfluchs

Zeitenwende Machtwechsel bei den Bürgermeisterwahlen in NRW: In Oberhausen und Bonn führen künftig CDUler die Rathäuser. Auffallend wenige Frauen hatten kandidiert

Aus Köln Claudia Hennen

Die CDU kann wieder Großstadt, jubelte am Wahlabend Armin Laschet. Der nordrhein-westfälische Parteichef sieht die Erfolge in Oberhausen und Bonn als Trendwende und zugleich als Rückenwind für die Landtagswahlen 2017. In den vergangenen Jahren hatte die CDU viele OB-Posten in Großstädten verloren, vom „Großstadt-Fluch“ war gar die Rede.

Jetzt also Oberhausen. Die Stadt bekommt nach sechs Jahrzehnten SPD-Herrschaft einen neuen CDU-Oberbürgermeister. Daniel Schranz schlug mit 53 Prozent seinen SPD-Rivalen, den Stadtkämmerer Apostolos Tsalastras. Schranz hatte im Wahlkampf Filz und Intransparenz angeprangert. Oberhausen ist hoch verschuldet.

Während dort der SPD-Filz den Machtwechsel begünstigte, dürfte in Bonn eher die Ausstrahlung des CDU-Kandidaten ausschlaggebend gewesen sein. Die Bundesstadt hat mit Ashok-Alexander Sridharan nach über zwanzig Jahren wieder einen christdemokratischen Rathaus-Chef. Der indischstämmige Jurist erreichte zwar nur knapp die absolute Mehrheit, ließ aber die Konkurrenten von SPD und Grünen weit hinter sich. Auch wenn die Landespartei den Sieg als Trend deutet, macht die Bonner CDU Sridharans Erfolg an dessen Person fest. Der „bönnsche Inder“ ist ein Aushängeschild: Erstmals wird ein CDU-Politiker mit Migra­tions­hintergrund eine deutsche Großstadt regieren.

SPD-Chefin und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bedauert die „bitteren Niederlagen“ in Bonn und Oberhausen, befürchtet aber keine Auswirkungen auf die Landtagswahlen: „Kommunalwahl ist Kommunalwahl, und Landtagswahl ist Landtagswahl.“ Kraft war noch am Wahlabend nach Leverkusen gereist, in der 160.000-Einwohner-Stadt hat ein Sozialdemokrat den Rathausposten geholt. Einen SPD-Erfolg gab es auch im tiefschwarzen Neuss: Hier wurde erstmals ein Sozi Rathaus-Chef. Auch in Hannelore Krafts Heimatstadt Mülheim an der Ruhr konnte die SPD den Posten des Oberbürgermeisters verteidigen.

Der „bönnsche Inder“ gilt als Aushängeschild der Christ-demokraten

In vielen Kommunen aber bekamen die Kandidaten nicht die erforderliche absolute Mehrheit. Und so müssen die Bürger in zwei Wochen erneut an die Wahlurnen, etwa in Essen, Bochum und Wuppertal. Für den Essener CDU-Kandidaten Thomas Kufen sieht es gut aus, er bekam fast 10 Prozentpunkte mehr Stimmen als Amtsinhaber Reinhard Paß (SPD) und wird außerdem von den Grünen unterstützt. In zwei Wochen könnte die CDU also auch dort den Chefsessel erobern.

Erschreckend niedrig war die Wahlbeteiligung. Mit unter 40 Prozent ist ein historischer Tiefpunkt erreicht, in Essen ging sogar nur jeder Dritte wählen. Damit war die Wahlmüdigkeit viel größer als im Vorjahr bei der allgemeinen Kommunalwahl. Für die NRW-SPD ein „fatales Signal“. Aufgrund einer Wahlrechtsreform unter der früheren Landesregierung wurden die Bürgermeister erstmals nicht gleichzeitig mit den Räten gewählt, dies wird erst in fünf Jahren wieder der Fall sein. Das komplizierte Prozedere hat die Wähler wohl abgeschreckt.

Verliererinnen der Wahl sind die Frauen. Alle größeren Städte in NRW werden künftig von Männern regiert. Es gab auffällig wenig Kandidatinnen. Bekannte Oberbürgermeisterinnen wie Dagmar Mühlenfeld in Mülheim oder Ottilie Scholz in Bochum stellten sich nicht mehr zur Wahl. Einzig Henriette Reker, parteilose OB-Kandidatin in Köln, könnte die Männerrunde aufmischen. Wegen der Panne um fehlerhafte Wahlzettel wird in Köln erst am 18. Oktober gewählt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen