Lückenschluss bei der Tram: Es fahren 3 Trams zum Hauptbahnhof

Ab dem Wochenende können Fahrgäste der Straßenbahnlinien M8 und M10 bis zum Hauptbahnhof durchfahren. Es war eine schwere Geburt.

Leicht und geschwungen: das Dach der neuen Tramhaltestelle am Hauptbahnhof. Foto: dpa

„Wer baute das siebentorige Theben?“, fragt der „lesende Arbeiter“ in Bert Brechts berühmtem Gedicht – die Könige, die in den Geschichtsbüchern stehen, hätten die Steine ja wohl nicht selber geschleppt. Es war das Verdienst von BVG-Projektleiter Steffen Fiedler, diesen kulturellen Bezug in seiner kleinen Ansprache herzustellen und seinen Dank auch an die Bauarbeiter zu richten, die die am Freitagvormittag eingeweihte Tram-Verbindung zwischen Nord- und Hauptbahnhof möglich gemacht haben. Warme Worte hatte es vorher schon etliche gegeben, aber sie blieben quasi in der Familie von Politikern, Verwaltungsmitarbeitern und Managern.

Vor Fiedler hatten BVG-Vorstandsvorsitzende Sigrid Nikutta, Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) und ein Vertreter der Firma Bombardier ins Mikrofon gesprochen. Die Fahrzeugbauer lieferten nämlich zeitgleich die 100. „Flexity“-Niederflurstraßenbahn aus, mit der man dann auch die Strecke zum ersten Mal befuhr. Alle waren sehr, sehr stolz über den vollbrachten Lückenschluss auf der Invalidenstraße – ein Unterfangen, das seit gut zehn Jahren Politik, Anwohner und Gerichte beschäftigt und schließlich ganze vier Jahre für gesperrte Straßen und Verkehrschaos gesorgt hatte.

Sieht man sich heute die Strecke an, über die ab Samstag die M8 aus Ahrensfelde und die M10 von der Warschauer Straße via Hauptbahnhof bis Moabit rollen, fragt man sich schon, was den Planern da so viel Mühe gemacht hat. Aber offenbar war es ein Meisterstück, auf der engen Invalidenstraße Gleise, Spuren für Autos und Fahrräder sowie ausreichend Platz für Fußgänger unterzubringen. Oder, wie Geisel süffisant bemerkte: „Eine solche Maßnahme wird beim Zuschauen eben leichter bewältigt als beim Bauen.“

Laut Nikutta sehen erste Prognosen täglich 20.000 Fahrgäste auf dem neu eröffneten Abschnitt, auf dem ein 3-Minuten-Takt herrschen wird. „Solche Prognosen stellen aber immer das untere Limit dar“, ist sich die BVG-Chefin sicher. Tatsache ist: Zusammen mit der M5 aus Hohenschönhausen, die über Oranienburger und Chaussestraße kommend schon seit Dezember den Hauptbahnhof anfährt, ist dieser jetzt zusammen mit den Stadtbahnlinien der S-Bahn gut an den Berliner Osten angeschlossen. Die Fertigstellung der U5 – laut Plan im Jahr 2020 – wird das noch perfektionieren.

In Nord-Süd-Richtung sieht es jetzt dagegen noch düster aus. Die S-Bahn-Linien 1, 2 und 25 machen bekanntlich einen Bogen um den Zentralbahnhof, und bei der S21, die dieses Manko beheben soll, ist erst der nördliche Abschnitt in Vorbereitung. Bis Reisende, die mit der Fernbahn in Berlin eintreffen, direkt nach Schöneberg oder Tempelhof umsteigen können, wird wohl noch ein Jahrzehnt vergehen, wenn nicht deutlich mehr.

Die BVG kann dafür natürlich nichts, bei ihr herrschte am Freitag eitel Freude ob des eingehaltenen Zeitplans und der architektonisch aufwändig gestalteten Tramhaltestelle am Hauptbahnhof. Mit ihren geschwungenen Leichtbetondächern und einem Gesamtpreis von 1,5 Millionen Euro hat sie bei manchen für Kritik und Häme gesorgt – für Sigrid Nikutta ist sie nicht weniger als „eine weitere Berliner Attraktion“.

Weniger freuen dürften sich Rollstuhlfahrer und andere Menschen mit eingeschränkter Mobilität über die Haltestelle, denn sechs Zentimeter Höhenunterschied zwischen Bahnsteig- und Fahrzeugkante sind nun mal nicht wirklich barrierefrei. Ein BVG-Bautechniker erklärte, Niveaugleichheit lasse sich vorläufig nicht herstellen: Die Bahnsteige hätten eine Normhöhe, damit sie von den alten Tatra-Bahnen angefahren werden könnten. Allerdings – das sei hinzugefügt – sollen diese bis Ende 2017 vollständig ausgemustert werden und kommen auf der neuen Strecke erklärtermaßen gar nicht zum Einsatz.

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