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Inklusion gibt‘s nicht umsonst

Protest Die Koalition will, Menschen mit Behinderungen mehr individuelle Lebensplanung ermöglichen. Doch mehr kosten darf das eigentlich nicht

aus Berlin Hilke Rusch

Oliver Straub würde gern selbstständig arbeiten, als Berater für Menschen mit Behinderung und als freischaffender Künstler. Straub ist querschnittsgelähmt und braucht im Alltag Unterstützung. Gemeinsam mit seinen persönlichen Assistenten entwirft er Skulpturen aus Elektroschrott. Dafür braucht er eine Werkstatt. Das Problem: Oliver Straub darf nicht mehr als 2.600 Euro sparen. Auch einen Kredit kann er nicht aufnehmen, denn seine Assistenz wird vom Sozialamt bezahlt, und hier gilt: Wer mehr als 2.600 Euro besitzt, muss die Hilfeleistungen selbst bezahlen.

„Behinderte Menschen werden systematisch arm gemacht“, sagt Ottmar Miles-Paul. Er koordiniert die Kampagne für ein gutes Bundesteilhabegesetz, die unter anderem einen umfassenden Anspruch auf Assistenz fordert. Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf ein Bundesteilhabegesetz geeinigt, Ende des Jahres soll ein Entwurf vorliegen, im kommenden Jahr das Gesetz verabschiedet werden. Im Wesentlichen geht es um eine Reform der Eingliederungshilfe, die aus der öffentlichen Fürsorge gelöst und der Bedarf eines behinderten Menschen in einem bundeseinheitlichen Verfahren individuell ermittelt werden soll. Es geht um Selbstbestimmung und darum, die Kommunen um 5 Milliarden Euro im Jahr zu entlasten.

Ein Kernpunkt der Forderungen von Behindertenverbänden betrifft jene Grenze von 2.600 Euro, an denen Oliver Straubs Pläne scheitern. Die Petition „Recht auf Sparen“ wurde inzwischen von 187.000 Menschen unterschrieben. „Einkommen und Vermögen sollten nicht wie bisher auf den Leistungsanspruch angerechnet werden“, sagt Miles-Paul. Rücklagen für Urlaubsreisen oder eine Altersvorsorge seien so nicht möglich. Verena Bentele, Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen, sieht hier eine klare Diskriminierung und plädiert für deren Abschaffung.

Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Momentan würden Verbesserungen bei der Anrechnung geprüft, so das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Geprüft würden auch Veränderungen im Hinblick auf Werkstätten für Menschen mit Behinderung.

Miles-Paul sieht hier ebenfalls Handlungsbedarf. Arbeitet ein Betroffener in einer Werkstatt werde dies zwar unterstützt, wolle aber jemand auf dem regulären Arbeitsmarkt arbeiten und weiter Eingliederungshilfe erhalten, sei das oft ein bürokratischer Kampf. „Etwa 80 Prozent Eingliederungshilfe fließen tatsächlich in Aussonderung“, sagt Miles-Paul. Er fordere einen klaren Fokus auf Inklusion entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention, denn es gehe um menschenrechtliche Fragen nach der freien Wahl des Berufs oder des Wohnsitzes.

Oliver Straub ist, derweil mit seinem Elektrorollstuhl auf Tour, für ein gutes Bundesteilhabegesetz. Gestern wurde er in Berlin unter anderem von Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD) empfangen. Die Tour soll sensibilisieren, auch für die Notwendigkeit eines Teilhabegelds. Durch seine Behinderung hat Straub Mehrkosten: Will er beispielsweise in den Urlaub fahren, muss er auch die Reisekosten der Begleitperson zahlen. Das Teilhabegeld soll da als Nachteilsausgleich wirken.

Verena Bentele betont, dass Inklusion nicht zum Nulltarif zu haben sei. Ob das Gesetz überhaupt zu Mehrausgaben führt, ist noch unklar. Das BMAS will jedenfalls spürbare Verbesserungen bei den Leistungen für Menschen mit Behinderung, man sei derzeit mit dem Finanzministerium im Gespräch. Im Koalitionsvertrag jedenfalls ist festgehalten, dass das Gesetz nicht mit Mehrausgaben verbunden sein darf.

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