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Chaos auf Lesbos

Griechenland Die Insel ist mit der Ankunft Zehntausender Flüchtlinge restlos überfordert. Die Polizei versucht, den Ansturm auf eine Fähre mit Gewalt zu verhindern

Lesbos: Eine syrische Flüchtlingsfamilie wartet auf die Fähre nach Piräus Foto: Dimitris Michalakis/reuters

Aus Athen Jannis Papadimitrou

Auf Lesbos, der drittgrößten Insel Griechenlands, gleicht die Hafenpromenade einem großen Flüchtlingslager. Über 20.000 Menschen warten dort auf das „Schiff der Hoffnung“, wie die Einheimischen es nennen – die Fähre, die möglichst viele Flüchtlinge nach Athen bringt.

Nach langer Untätigkeit der Behörden hat sich in den letzten Tagen anscheinend einiges getan: Fünfzig Polizisten sind extra nach Lesbos gekommen und sollen dort mindestens drei Monate lang bleiben, um bei der Registrierung der Flüchtlinge zu helfen. Sie bringen auch moderne Technik für die Datenspeicherung mit.

Allein am Dienstagmorgen brachte eine Großfähre 2.187 Flüchtlinge nach Piräus, dem größten griechischen Hafen nahe der Hauptstadt Athen. Viele der Neuankömmlinge baten griechische Journalisten, kurz ihr Handy nutzen zu dürfen, damit sie ihre Verwandten benachrichtigen, die sich anscheinend bereits in Athen aufhalten. Weitere 1.700 Menschen wurden am späten Dienstagabend in Piräus erwartet.

In der Nacht zuvor war es erneut zu Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und der Polizei gekommen. Rund 6.000 Migranten versuchten, auf die Fähre „Eleftherios Venizelos“ zu gelangen, die nach Piräus auslaufen sollte. Wie Augenzeugen berichteten, setzte die Polizei Schlagstöcke ein, um die Flüchtlinge daran zu hindern, auf das überfüllte Schiff zu gelangen.

Ebenfalls in der Nacht zum Dienstag retteten die griechische Küstenwache und die Besatzung einer Fähre über 60 Flüchtlinge vor der Küste von Lesbos. Die Besatzung des Fähre „Blue Star 1“ hatte die Flüchtlinge im Wasser entdeckt und die Lokalbehörden informiert. „Ihr Boot war schon gekentert, diese Menschen waren vermutlich bereits sieben oder acht Stunden im Wasser“, sagte Schiffskapitän Spiros Pefanis im TV-Sender Skai. Und er fügte hinzu: „Viele versuchten, nach Lesbos zu schwimmen, andere hielten sich an den Bootsresten fest. Wir haben einige dieser Menschen aufgenommen, unter ihnen 14 kleine Kinder und ein Baby.“

Kein Glück hatte dagegen ein zweijähriges Kind auf der kleinen Insel Agathonissi, die zwischen Lesbos und Kos liegt und in den letzten Tagen anscheinend vielen Flüchtlingen als Ausweichstation dient. Auf der Insel leben 150 Menschen, ein Polizist und zwei Lokalbeamte. Einen Arzt gibt es nicht. Nach Angaben der Athener Tageszeitung Kathimerini sollte das kranke Kind auf die Nachbar­insel Samos gebracht und dort behandelt werden, doch jede Hilfe kam zu spät. Der Bürgermeister von Agathonissi, Vangelos Kottoros, erklärte, gegen derartige Vorfälle machtlos zu sein. „Bei uns wird immer wieder eine Arztstelle ausgeschrieben, aber anscheinend will niemand hierher kommen und auf der Insel leben“, sagte der Lokalpolitiker im Interview mit Kathimerini.

Auch auf der Insel Kos harren weiterhin Tausende Flüchtlinge aus. Es herrscht gespannte Ruhe, gelegentlich werden von der Insel Angriffe auf Flüchtlinge gemeldet. Trotzdem hat es Kos aus den Schlagzeilen geschafft – vermutlich auch deshalb, weil die Lage auf Lesbos außer Kontrolle gerät. Das bestätigt auch Migrationsminister Jannis Mouzalas: „Im Moment liegt unser Schwerpunkt auf Lesbos, weil dort die Lage wirklich explosiv ist“, sagte der Minister dem Athener Sender Vima FM.

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